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Schlagabtausch zur Euro-RettungMerkel versus Steinbrück

Im Bundestag liefern sich Merkel und Steinbrück ein erstes Rededuell. Der SPD-Kandidat wirft der Kanzlerin „Doppelspiel“ vor. Doch der große Krach bleibt aus.

Damals noch auf derselben Seite: Steinbrück und Merkel als Teil der großen Koalition, 2008. Bild: dpa

BERLIN dpa | SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Rededuell im Bundestag schweres Missmanagement in der Euro-Schuldenkrise vorgeworfen. Steinbrück unterstellte der Kanzlerin im ersten Schlagabtausch seit seiner Nominierung ein „Doppelspiel“. Sie habe Griechenland-Mobbing aus ihrer Koalition heraus zugelassen habe. Merkel schlug als neues Hilfsinstrument für Krisen-Staaten einen Solidaritätsfonds vor, der aus der milliardenschweren Finanztransaktionssteuer gespeist werden könnte. Es soll ausschließlich um konkrete Projekte gehen.

Für die Kanzlerin und ihren ehemaligen Finanzminister war dies am Donnerstag das erste direkte Rededuell ein Jahr vor der Wahl, die vermutlich im September 2013 stattfinden wird.

Merkel verzichtete in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel auf direkte Angriffe gegen ihren Herausforderer. Bei SPD und Grünen bedankte sie sich sogar für die Unterstützung bei bisherigen Euro-Rettungspaketen. An den entscheidenden Stellen habe sich die große Mehrheit des Parlaments „immer zusammengerauft“.

Konkret schlug Merkel einen Solidaritätsfonds zur Unterstützung von Reformen in europäischen Krisenländern vor, der aus den Einnahmen der geplanten Finanztransaktionssteuer gespeist wird. Zugleich unterstützte sie den Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für einen stärkeren EU-Währungskommissar. Brüssel brauche bei Verstößen gegen die Haushaltsdisziplin „echte Durchgriffsrechte“. Zur Kritik an Schäuble sagte sie: „So bauen wir ein glaubwürdiges Europa nicht, wenn wir alles sofort vom Tisch wischen.“

Steinbrück warf Merkel hingegen vor, die Bedeutung des Projektes Europa über die aktuelle Krisenpolitik hinaus nicht ausreichend zu erklären. Die CDU-Vorsitzende habe zugelassen, dass aus den eigenen Reihen über Monate hinweg „Mobbing gegen Griechenland“ betrieben worden sei. „Sie haben laviert.“ Deshalb gebe es in Europa jetzt viel „zerschlagenes Porzellan“. Weder Helmut Kohl noch ein anderer Vorgänger hätten es zugelassen, einen EU-Partner für derart „innenpolitische Händel“ zu missbrauchen.

„Keine Vorreiterrolle“

Der SPD-Kandidat hielt der Bundesregierung auch vor, zu wenig zur Ankurbelung des Wachstums zu unternehmen. „Aus einer einseitigen Krisenanalyse folgt eine einseitige Therapie: Sparen, sparen, sparen.“ Zugleich strenge sich die schwarz-gelbe Koalition zu wenig an, um das deutsche Haushaltsdefizit zu senken. Wörtlich sagte Steinbrück: „Vorsichtig formuliert: Es gibt von dieser Bundesregierung keine Vorreiterrolle beim Schuldenabbau in Europa.“

Erforderlich sei nun ein echter Wachstums- und Beschäftigungspakt sowie eine wirksame Banken- und Finanzmarktregulierung. Zur geplanten Bankenunion müsse ein Fonds zur Rekapitalisierung von Instituten gehören. Dieser solle aber nicht von den Steuerzahlern, sondern der Branche selbst gespeist werden. Aus der Euro-Krise sei mehr als eine Währungskrise geworden. „Wir merken, dass uns diese Krise mehr als Geld kosten könnte - nämlich die Legitimation durch unsere Bürger.“

Merkel bekräftigte, dass Griechenland in der Euro-Zone gehalten werden soll. Die Kanzlerin machte erneut klar, dass nach Vorliegen des Troika-Berichts der Bundestag über die mögliche Auszahlung weiterer Tranchen zu entscheiden habe. Das Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag und Freitag werde gewiss nicht der letzte Gipfel zur Krise sein. Zugleich gelte aber: „Manches ist bereits geschafft. Wir können die Konturen einer Stabilitätsunion bereits deutlich erkennen.“

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2 Kommentare

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  • G
    GWalter

    953 € Durschnittsrente -aber- 2780 € Durschnittspension

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    Ich erinnere mich noch der markigen Sprüche des Genossen Müntefering und auch von Helmut Kohl die die Arbeitnehmer in den Betrieben regelrecht in die Frühverrentung (Vorruhestand) gezwungen haben.

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    Da wurden ganze Industriebereiche auf Kosten der Sozialkassen saniert.

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    Während die durchschnittliche Rente auf 953,- € gesunken ist sind gleichzeitig die Beamtenpensionen auf durchschnittlich 2780,- € gestiegen.

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    PENSIONEN OHNE BEITRAGSZAHLUNG !!??

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    Dieses geradezu absurde Ungleichgewicht wird von der Politik und der Presse immer wieder totgeschwiegen.

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    Unser Land ist reich, beteiligt sich an Kriegen, die uns eigentlich nichts angehen, und in Deutschland hungern Menschen. Das ist ein Elend und es ist ein politischer Skandal.

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    Genauso wie die jährlichen Kosten für die Pensionen tunlichst verschwiegen werden. Bei derzeit 1 Million Pensionären und Hinterbliebenen ......

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    Und die auszahlbare staatliche Rente/Pension müssen endlich auch gleich gestellt werden...... wir brauchen die BÜRGER-RENTENVERSICHERUNG und die BÜRGER-KRANKENKASSE !!!

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    DAS GLEICHE RENTENRECHT FÜR ARBEITNEHMER, BEAMTE und POLITIKER !!!

     

    Der wirtschaftliche Erfolg der letzten Jahre wurde im Wesenlichen auf den Knochen

     

    der Rentner und Arbeitnehmer

     

    erzielt.

     

    Beamte, Politiker und Pensionäre wurden in UNMORALISCHER WEISE verschont....die Reichen sowieso !!

     

    Und dies obwohl man den Rentnern bereits seit 1957 ingesamt 700 Milliarden EURO aus der Rentenkasse gestohlen hat !

     

    Die Politik steht am Scheideweg, denn keiner sollte sich wundern, wenn immer mehr der betroffenen Menschen zu den LINKEN oder RECHTEN Rändern der POLITIK streben.

  • W
    Werkmeister

    18.10.Zur Parlamentsdebatte Merkel-Steinbrück zu Europa:Europa wurde als Friedensgemeinschaft geboren. Dies ist die staatsmännische Tat unserer Väter aus der Nachkriegszeit. Seither ist Europa zusammengewachsen. Nicht immer ohne Reibungswiderstand, doch ganzheitlich betrachtet in großen Schritten. Das Ringen um die beste Lösung braucht nun mal auch Reibung. Vorbei die Zeit, in der sich die europäischen Nationen über Jahrhunderte in Kriegen zerfleischt haben. Vorbei die Zeit, in der Diktatoren sich selbst und ihr eigenes Volk als das Nonplusultra verherrlichten, andere Völker und Menschen als Untermenschen verachteten. Diese Errungenschaft alleine ist es schon wert, für den europäischen Friedensgedanken einzutreten, ihn wenn nötig gegen alle Widerstände zu verteidigen. Auch, wenn damit viele Stolpersteine, Rückschläge, Lernphasen und immense Kosten verbunden sind. Nur, wer bereit ist, dazu zu lernen, sein Verhalten bei Fehleinschätzungen zu revidieren, gehört zur würdigen Elite eines Landes. Die ewig gestrigen Betonköpfe hingegen sollten entweder über den Prozess der Einsicht Anschluss an das heute finden oder sich selbst in den Mülleimer der Geschichte befördern. Der Friedensnobelpreis ist verdient, fordert zugleich zum Weiter machen auf. Was hilft jenem ängstlichen Michel sein Sparbuch, wenn er sich im nationalen Kirchturm verschanzt, derweilen draußen neue Kriege drohen, die sein Vermögen wiederholt in Schutt und Asche legen. Der europäische Einigungsgedanke besitzt Leitfunktion. Nur in Gemeinsamkeit lässt sich die technische Entwicklung im Wettbewerb mit den großen Nationen USA, China etc. erfolgreich gestalten. Nur auf der Grundlage einer menschenwürdigen Verfassung lässt sich gegenseitige Toleranz weiter ausbauen. Dazu gehört auch der entschlossene Kampf gegen den undemokratischen und unsozialen Raubeinkapitalismus. Alles Voraussetzungen, ohne die ein demokratisches System mit sozialem Antlitz nicht auskommt. Ein geeintes Europa ist ein Muss. Seine Friedensbausteine sind unverzichtbar die gemeinsame Währung, gegenseitiger Respekt gegenüber dem anders sein und anders denken und ein starker Wirtschaftsblock, der den zukünftigen Stürmen der Weltwirtschaft gewachsen ist. Die USA wuchs zur stärksten Macht der Welt über einen blutigen Krieg der Nord- u. Südstaaten zusammen. Europa hat nun die Chance, über eine tiefgreifende Krise zusammenzuwachsen. Richtig aufgearbeitet ist Krise Chance und Fortschritt zugleich. Wolfgang Werkmeister, Eschborn