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Schläger vs. SchutzgeldPiazzetta derackettizzata

In Neapel erklären einige Unternehmer ihren Tennisklub für schutzgeld- und manipulationsfrei. "Mit dem Racket gegen das Racket" heißt die mutige Devise.

Return gegen die Mafia: Mitglieder eines neapolitanischen Tennisklubs sagen der Schutzgelderpressung den Kampf an. Bild: Imago/HJD Productions

NEAPEL taz | Italiens Sport ist derzeit geplagt. Verschobene Spiele und arrangierte Wetten bestimmen die Schlagzeilen. Doch es gibt auch positive Signale vom Stiefel zu vermelden. Ein Fußballprofi aus der zweiten und einer aus der dritten Liga zeigten aus eigenem Antrieb Manipulationsversuche an und verzichteten dabei auf Bestechungsgelder in Höhe ihres Jahreseinkommens.

Und in der Camorra-Hochburg Neapel hat sich eine Handvoll Unternehmer gefunden, die ihren Tennisklub zum ersten schutzgeld- und manipulationsfreien Sportverein erklärt. Tano Grasso strahlt über das ganze Gesicht. Der massige Schuhmacher aus dem sizilianischen Capo Orlando, der seit Jahren an der Spitze der Anti-Schutzgeldbewegung Italiens steht, findet großen Gefallen an dem Wortspiel "Mit dem Racket gegen das Racket".

Mehrmals benutzt er in seiner Eröffnungsrede diesen Satz, der sich darauf bezieht, dass ab jetzt auf den Tennisplätzen des Sporting Club Paradise das bespannte Sportgerät namens Racket fulminant gegen die ebenfalls Racket genannte Schutzgelderpressung eingesetzt werden wird.

Folgen für die Wirtschaft

Die ist ein Millionengeschäft und hat erhebliche Folgen für die Wirtschaft: Nach Schätzung des Unternehmerverbandes SOS Impresa geben in ganz Italien täglich 50 Geschäftsinhaber wegen dieser zusätzlichen Steuer auf. Aber man muss nicht zahlen. "Zu mir sind sie vor fünf Jahren gekommen und wollten auf einen Schlag 50.000 Euro", erinnert sich der Hotelbesitzer Raffaele Iovine.

"Ich habe abgelehnt und sie umgehend angezeigt. Zwei Monate hat mich die Polizei überwacht. Die Erpresser sind wiedergekommen. Sie wurden überführt und identifiziert. Jetzt sitzen sie im Gefängnis", erzählt er. Stolz meint er: "Jetzt hat niemand von denen mehr den Mut, bei mir anzufragen."

Nach Iovines Erfahrung ging es in Neapel jedem Unternehmer so, der Schutzgeldeintreiber angezeigt hat. Anzeigen schützt vor Schutzgeldforderungen. Und am besten ist die Prävention. Deshalb steht auf der Piazetta Pietrasanta im historischen Stadtzentrum - dort befindet sich auch Iovines Hotel - ein Schild mit der Aufschrift: "Piazzetta derackettizzata" (Schutzgeldfreier Platz).

Im Nobelviertel wird still gearbeitet

Ein gleichlautendes Schild befindet sich im Sporting Club Paradise, in dem auch der Hotelbesitzer Mitglied ist. "Wir wollen für ein Leben ohne Schutzgeld werben", sagt Iovine. Das ist auf dem Vomero auch bitter nötig. In dem Nobelviertel arbeitet die Camorra zwar still, aber effektiv, meint Geppino Fiorenza, lokaler Vertreter der Antimafia-Organisation Libera.

Der Club Paradise hängt deshalb für seine Mitglieder und solche, die es werden wollen, die moralische Latte hoch: "Wir nehmen hier nur Mitglieder auf, die sich verpflichten, kein Schutzgeld mehr zu zahlen", erzählt Iovine, "Entweder sie haben niemals welches gezahlt oder sie hören damit auf, wenn sie uns beitreten. Wer diese Erklärung verletzt, fliegt raus."

Unterstützung kommt von der italienischen Tennislegende Adriano Panatta. "Sport ist nicht demokratisch. Es kann immer nur einer gewinnen", schränkt der French-Open-Sieger anlässlich der Einweihung der schutzgeldfreien Tennisplätze zwar ein. Aber: "Das schöne Element ist aber, dass alle beim gleichen Ausgangspunkt beginnen und lernen, sich an Regeln zu halten."

Um dieses schichten- und klassenübergreifende Element zu unterstreichen, hat der Club Paradise seine Pforten auch für Kinder geöffnet, die in den als Drogenumschlagplatz berüchtigten Betonschluchten des Vororts Scampia aufwachsen. "Wir wollen keinen Elitesport, sondern Volkssport", sagt Iovine, und greift fest sein Racket, das gegen das Racket und auch noch die soziale Ungerechtigkeit gerichtet ist.

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