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Schläge bei der Arbeit im Büro

■ Viele bekommen täglich eine gewischt, weil sich der Teppich elektrostatisch auflädt / Die Computerprogramme können abstürzen / Wohnberater empfehlen Naturböden

Mit extrafiesem Lachen betritt J.R. Ewing sein Büro mit Blick über ganz Dallas, hängt routiniert seinen Hut auf. Er setzt sich an seinen Schreibtisch, lächelt noch einmal überheblich in sich hinein, will sich die neuen Bilanzen von Ewing-Oil im Computer aufrufen – und bekommt ganz furchtbar eine gewischt.

Diese wunderschöne Szene, die so leider noch nie im Fernsehen zu sehen war, ist in Büros seit Jahren keine Seltenheit. „Elektrostatische Aufladung“ heißt das Problem, erklärt Dirk Peter, Wohnberater in der Berliner Verbraucherzentrale. Seit einiger Zeit häuften sich Anfragen nach dem geeigneten Boden.

„Zunächst einmal empfehlen wir Naturmaterialien“, so Dirk: „Wenn ein Teppich aus Baumwolle ist, dann besteht überhaupt keine Gefahr. Zudem hat ein Wollboden viele andere Vorteile, beim angenehmeren Raumklima angefangen.“ Auch Linoleum könne sich nicht aufladen, erläutert er. Allerdings wollten dieses Material viele nicht im Büro haben, „aus repräsentativen Gründen“.

Daß es das Image hebt, wenn Besucher jedesmal an der Türklinke einen Schlag bekommen, glaubt er auch nicht. Verwundert seien viele Anrufer, weil zwar nicht der Bodenbelag, wohl aber dessen unangenehme Eigenschaft neu sei. Jahrelang seien Gäste und Mitarbeiter unbeschadet durch das Büro gelaufen, mit einem Male bekomme regelmäßig jemand einen Schlag. Der Grund: Computer.

Gerade wenn mehrere Rechner in einem Raum stehen, erhöht sich die Gefahr, daß sich elektrostatische Felder aufbauen. „Der Mensch als beweglicher Ladungsträger gibt seine Ladung spontan ab, sobald er einen elektrisch leitfähigen Gegenstand berührt“, erklärt die Bonner Arbeitsgemeinschaft Wohnberatung (AGW): Für den Menschen seien „hohe Ladungen ungünstig“, so die vorsichtige Formulierung im Informationsheft „Fußböden“.

Und nicht nur für Menschen. Die Computer tragen nicht nur zur Aufladung bei, bei ihnen kann sie auch verheerende Folgen haben: „Es gab schon Anrufer, deren Programme dadurch abgestürzt sind“, berichtet Peter Dirk. Diese seien besonders verärgert, wenn sie beim Einkauf sogar auf die entsprechende Kennzeichnung geachtet hätten. Denn auf der Rückseite von Teppichböden sind oft verschiedene Symbole angebracht, die besondere Eignung versprechen. Ein Blitz ist das Antistatik- Symbol, das durch eine Prüfung im Deutschen Teppich-Forschungsinstitut in Aachen erworben werden kann. Dessen Anforderungen und Test-Kriterien hält der Wohnberater jedoch für „nicht hoch genug“. In einem einzelnen Arbeitszimmer garantiere das Siegel, daß Benutzer und Gäste gefahrlos an Klinken und Computer fassen könnten, in großen Büros aber nicht. Gerade die höhere Aufladung durch mehrere Rechner sei nicht ausreichend berücksichtigt.

Zudem ist die Luft in Großraumbüros oft extrem trocken, und: „Eine sehr niedrige Luftfeuchte (um 25 Prozent) erhöht die Neigung zur Aufladung“, so die AGW-Broschüre, das gelte selbst für Schurwolle. Pflanzen im Büro seien ein einfaches und gesundes Mittel, der Aufladung entgegenzuwirken. „Elektrische Luftbefeuchter sind nicht zu empfehlen.“

Außer seinem Tip, sich möglichst für Naturmaterial zu entscheiden, rät Dirk für den Einkauf: „In synthetischen Textilien sollten Stahlfasern eingewebt sein. Sinnvoll sind auch Kupferbänder unter dem Boden, durch beides kann man die elektrische Entladung herbeiführen.“ Möglich sei auch, nachträglich ein Antistatikum aufzusprühen, zählt die AGW auf, warnt aber: „Zu den Inhaltsstoffen der Antistatika zählen Ammoniumverbindungen, die Reizstoffe für Schleimhaut und Atmungsorgane enthalten!“

Wer dem Büro einen neuen Boden verpassen möchte, sollte aber nicht nur auf die Gefahr einer statischen Aufladung achten: Neben dem Blitz-Symbol ist unter manchen Teppichen auch eine stilisierte Stuhl-Rolle zu finden. Dieses soll garantieren, daß der Belag den Belastungen eines Büros gewachsen ist. 22 Stunden lang wird ein Boden daher im Aachener Teppich-Forschungsinstitut von drei Rollen malträtiert; erst wenn er diesen Dauertest besteht, erhält er das Rollen-Symbol.

Doch Peter Dirk ist auch hier skeptisch. Das Zeichen sei zwar „schon ein Eignungssymbol“, gesteht der Wohnberater zu, der sich die Belastungstests in Aachen selber angesehen hat. Nach seiner Einschätzung sind die Tests aber „nicht scharf genug“. Selbst ein Teppichboden mit Rollen-Symbol könne „nach relativ kurzer Zeit plattgewalzt“ sein.

Entscheidend, wie stark man einen Boden belasten könne, sei dessen Dichtigkeit, die sich am Gewicht erkennen lasse. Bei Wolle oder Chemiefasern solle das Gesamtgewicht des Teppichs mindestens bei zwei Kilo pro Quadratmeter liegen. Christian Arns

Hinweise zur Broschüre „Fußböden“ finden Sie auf Seite 37.

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