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SchienenersatzverkehrEine Busfahrt, die ist lustig

Das alte Personenbeförderungsgesetz soll fallen. Linienbusse könnten dann bundesweit fahren. Und Bahnfahrer würden weniger zahlen.

Der neue Schienenersatzverkehr: Überlandbusse. Bild: photocase

Constantin Pitzen ist ein Pionier. Seit Herbst 2009 betreibt er etwas, das es in Deutschland nur als Ausnahme gibt: einen privaten Fernbusverkehr mit Liniennetz. Drehkreuz für Pitzens Firma Autobahnexpress ist Leipzig. Von dort geht es nach Potsdam, Dresden oder Göttingen/Kassel und zurück. Der Vorteil: Pitzens Busse sind billiger und teilweise auch schneller als die Bahn. So kostet die Fahrt von Potsdam-Hauptbahnhof zum Leipziger Flughafen 14,50 Euro; die Bahnfahrkarte ist für normal 41 Euro zu haben, das Sparpreisticket kostet 19 Euro. Außerdem braucht der Bus planmäßig eine Stunde, 45 Minuten, während die Bahn zwei bis zweieinhalb Stunden benötigt. Künftig könnte es für Pitzen leichter werden, Fernbuslinien zu betreiben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung plant, den Fernreiseverkehr zu liberalisieren.

Bislang gilt ein Gesetz aus den Dreißigerjahren, das die damalige Reichsbahn vor Konkurrenz schützen sollte. Das Personenbeförderungsgesetz untersagt neue Transportangebote auf Strecken, die "mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigt bedient werden". Dies gilt insbesondere dann, wenn der neue Anbieter Strecken übernehmen will, "die vorhandene Unternehmer oder Eisenbahnen bereits wahrnehmen". Ausnahmen, zu Mauerzeiten eingeführt, gibt es nur im Verkehr von und nach Berlin - mit absurden Konsequenzen: Mit dem BerlinLinienBus, an dem die Bahn AG beteiligt ist, darf man beispielsweise zwar von Ulm nach Berlin fahren, nicht aber von Ulm nach Würzburg, Schweinfurt oder Bamberg, wo der Bus auch hält.

Ein Fernbusverkehr, der nicht nach Berlin führt, ist dem Anbieter Eurolines erlaubt, der von Hamburg nach Mannheim/Heidelberg unterwegs ist - allerdings nur im Nachtverkehr. Die Preise sind in der Regel günstiger als bei der Bahn. Die Tarife variieren allerdings bei beiden Transportsystemen stark. Ein Beispiel: Wer versucht, am Donnerstag, den 21. Januar von Hannover nach Heidelberg zu fahren, konnte knapp drei Wochen vor der Fahrt ein Busticket für 23 Euro kaufen. Bei der Bahn gab es mit etwas Glück eine Ticket für 29 Euro, sonst schwankten die Preise tagsüber zwischen 29 und 88 Euro, nachts zwischen 39 und 93 Euro. Die Bustickets auf dieser Strecke schwanken zwischen 9 und 47 Euro. Wer bei der Bahn - durchaus realistisch - eine Fahrkarte für 39 Euro kriegt, fährt also unter Umständen günstiger als mit dem Bus.

Wollen Busunternehmer eine Fernlinie beantragen, müssen sie beweisen, dass sie ein neues Angebot schaffen oder ein vorhandenes deutlich verbessern. Zudem würden, erklärt Busunternehmer Pitzen, alle dadurch betroffenen Unternehmen gefragt, ob sie etwas dagegen haben. Ein kompliziertes Verfahren, zumal in den Bundesländern unterschiedliche Behörden zuständig sind.

Wie eine Liberalisierung aussehen soll, ist noch unklar. Derzeit werde daran gearbeitet, heißt es im Verkehrsministerium. Ergebnisse werde es möglicherweise im Februar oder März geben. Ziel sei es, Wettbewerb zuzulassen, um "ergänzende Möglichkeiten des Reisens" zu schaffen. Bei der Bahn, die in Deutschland der größte Betreiber von Fernbuslinien ist, wird das Vorhaben genau verfolgt; offiziell kommentiert wird es aber nicht.

Mancher Schienenfreund fragt sich jedoch, ob es sinnvoll ist, mit Steuergeldern Schienenwege auszubauen, wenn hinterher private Buslinien der Bahn Konkurrenz machen - und das von Bussen, die nicht einmal Autobahnmaut bezahlen müssen, während alle Bahnen Trassenpreise zahlen.

Ein Punkt, den auch die Allianz pro Schiene, eine Lobbyorganisation für den Bahnverkehr, umtreibt. "Dass Linienbusse Maut bezahlen, wäre das Minimum", sagt Pro-Schiene-Chef Dirk Flege. Fraglich sei es auch, wenn die Busse einen Wettbewerb zu Verkehren darstellen, die die öffentliche Hand bestellt und bezahlt. Dies sei etwa dort der Fall, wo der Nahverkehr der Bahn de facto auch Fernverkehrsfunktion erfülle. Ein Beispiel: Zwischen Berlin und den Ostsee-Städten gibt es nur einen sehr dünnen Bahnfernverkehr; ein Großteil der Kunden wird mit Regionalzügen transportiert. Unterschiede zwischen ICE und Regionalexpress gibt es aber nicht nur bei Fahrpreis und -zeit, sondern in der Finanzierung: Während die Bahn den ICE eigenwirtschaftlich und gewinnorientiert betreibt, lässt sie im Nahverkehr Züge rollen, die die Bundesländer, unterstützt vom Bund, bezahlen.

Dennoch machen die Liberalisierungspläne dem Schienenmann Flege kaum Sorgen. Offen sei auch, ob Fernbusse der Bahn tatsächlich Konkurrenz machten - möglicherweise würden sie eher zulasten von Mitfahrzentralen gehen. Oder Kunden anziehen, die sonst gar nicht reisen würden. Zudem seien Reisen mit Fernbussen deutlich umweltfreundlicher und sicherer als mit Autos.

Das sieht auch der alternative Verkehrsclub VCD so. "Wir begrüßen eine Liberalisierung im Fernverkehr", sagt VCD-Bahnexpertin Heidi Tischmann. "Hier kann die Deutsche Bahn AG Wettbewerb vertragen, denn hier fährt sie bislang ohne Konkurrenz." Dann könne sich die Bahn vielleicht auch dazu durchringen, auf alljährliche Preiserhöhungen zu verzichten. Allerdings sei die Pünktlichkeit der Busse nicht garantiert. Für beide Systeme gebe es aber eine Nachfrage. Der Bus sei günstig, die Bahn bequem und meist pünktlich. Ein Problem sieht Tischmann darin, dass die Bahn - sollten die Busse rollen - versucht sein könnte, nicht ausgelastete Strecken mit dem Argument zu streichen, Busse machten zu viel Konkurrenz.

Umweltfreundliche Busse

Umweltpolitisch hat der Bus derzeit sogar die Nase vorn. So schafft er je Tonne Kohlendioxid 31.400 Personenkilometer, hat das Umweltbundesamt (UBA) errechnet. Die Bahn kommt im Fernverkehr auf 19.200 Personenkilometer, während es beim Auto rund 6.900 sind.

"Diese Werte muss man aber differenziert betrachten", sagt UBA-Verkehrsexperte Christoph Erdminger. "Im Linienverkehr nehmen sich Bahn und Bus nicht viel." Dass der Bus derzeit besser sei, liege vor allem an der besseren Auslastung der Fahrzeuge, die häufig im Chartereinsatz seien. "Die Auslastung ist dabei natürlich viel höher als im Linienverkehr." Letztlich handele es sich aber um zwei umweltfreundliche Anbieter. Gegen eine Öffnung des Marktes gebe es keine Bedenken. "Konkurrenz belebt das Geschäft."

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15 Kommentare

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  • A
    abc

    @ Michael:

     

    Ich gehe eher davon aus, dass Überlandbusse eher zulasten von Mitfahrzentralen gehen, da sie m.E. vor allem von jenen genutzt werden, die sich eine lange Bahnfahrt schlicht und ergreifend nicht leisten können. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nunmal bei der Deutschen Bahn außergewöhnlich miserabel - was natürlich auch an einigen Benachteiligungen gegenüber anderen Verkehrsträgern liegt (Steuerbefreiung für Kerosin, Trassengebühr bei den Bahn etc.).

    Außerdem: In Polen gibt es neben dem Bahn- auch ein nationales Busnetz, und dennoch ist die Bahn bis heute nicht untergegangen. Beide sind allerdings in staatlicher Hand, weshalb die Situation nicht unbedingt mit jener in Deutschland vergleichbar ist.

  • M
    Michael

    Habe ich den Tenor des Artikels (und der bisherigen Kommentare) wirklich richtig verstanden? Eine positive Bewertung von noch mehr Straßenverkehr zu Lasten der Schiene?

    Solche Positionen kamen bisher eigentlich nur vom IFO-Institut (H. Sinn) bzw. der FDP.

    So etwas in der TAZ, man staunt.....

  • N
    Name

    In Spanien habe ich die Vorzüge einer guten Businfrastruktur kennen gelernt, dank der man günstig von einer Stadt in die nächste fahren kann. Also hätte ich auch nichts gegen ähnliches hier. Nur:

    In Spanien ist das Schienennetz schlecht ausgebaut, in Deutschland sehr gut.

     

    Ich würde auch hier lieber mit der Bahn von Stadt zu Stadt fahren als mit dem Bus (Stichwort: Stau) aber die Preise sind deutlich zu hoch. auch ist der Bus etwas flexibler, kann also neben dem/den Bahnho(e)f(en) auch den Flughafen ansteuern...

     

    Ansonsten gilt natürlich, dass die Busfahrer nicht unterbezahlt sein dürfen usw. usf.

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Dort, wo es nicht genug Buslinien gibt, ist es zu begrüßen. Ein zu großer Wettbewerb würde auf Dauer aber wohl auf Kosten der Qualität gehen.

  • A
    Alex

    Bisher wusste ich gar nicht, dass gesetzliche Beschränkungen für den Busverkehr existieren und hatte vermutet, dass die nicht existierenden Buslinien lediglich auf einen Mangel an kapitalistischem Erwerbstrieb zurückzuführen sind.

     

    Auch wusste ich nicht, dass Busse keine Maut bezahlen.

     

    Was es alles (noch) gibt in dieser Republik!

     

    Man sieht: Mit der taz wird man schlauer.

  • N
    nostradamus

    Konkurrenz belebt das Geschäft. Der Monopolist Bahn kann jede Menge davon gebrauchen. Doch bei dieser Regierung ist Misstrauen angebracht. Es wird sich noch zeigen müssen, ob die Fernbusse dem Kunden nützen oder ob es nicht mal wieder nur um Lohndumping geht.

     

    Die Trennung von Netzinfrastruktur und Betrieb und die gleichberechtigte Öffnung für die Konkurrenz auf der Schiene selbst wäre ein marktwirtschaftlicher Gewinn, der mehr bewegen würde als Fernbusse.

     

    Sicher scheint mir bisher eines zu sein. Einen Ausbau der Bahn zu einer leistungsstarken Alternative zum Auto und zum LKW wird es mit dieser Regierung nicht geben. Dabei wäre ein starkes, öffentliches Schienennetz die gebotene Alternative zum Verkehrsinfarkt durch den zunehmenden Güterverkehr auf der Straße. Vor allem gäbe es bei einem geöffneten Schienennetz genug Raum für private Investoren. Zur Abwechslung könnten dann wieder Unternehmer gewinnen, die ihr Geschäft nicht Börsenspekulanten ausliefern müssten. Doch um Marktwirtschaft in Verbindung mit nachhaltige Verkehrspolitik scheint es hier nicht zu gehen.

  • A
    Algorin

    Naja, umweltfreundlich ist die Bahn leider nur oberflächlich:

    "Fast die Hälfte ihres Stroms bezieht die Bahn aus Kohlekraftwerken, ein Viertel ist Atomstrom, 16 Prozent stammen aus erneuerbaren Energien." ( Quelle: http://www.wdr.de/tv/markt/sendungsbeitraege/2009/1130/00_bahn3.jsp )

     

    Ich bin klar für eine Belebung des Marktes durch Busunternehmen und als zwanghafter Bahnkunde wäre ich nicht abgeneigt, auch mal Bus zu fahren zwischen den Städten. Was man sich als zahlender Kunde von der Bahn gefallen lassen muss, ist vollkommen inakzeptabel! Jedes normale Unternehmen ohne Monopolstellung wäre bei solch schlechten Service und Dienstleistungen schon längst auf dem Markt untergegangen...

  • A
    Andreotti

    Ich habe nie verstanden warum man es keine Buslinie von Stuttgart nach Berlin gibt und ich dafür teuer mit der Bahn fahren muß, aber von Stuttgart komme ich für 35,- EUR nach Paris, mit dem Bus, Standarttarif!

  • R
    rolle

    "lustig" wird's erst richtig, wenn die menschen die den bus lenken, noch weniger als 5,-€ die stunde verdienen - ein hoch auf den freien wettbewerb ...

  • S
    student

    Interessanter Vorschlag.

     

    Die Bahn verkörpert für mich gerade ein Unternehmen, was sich nicht am Bürger ausrichtet.

     

    Hoffentlich tut sich im Personenbeförderungssektor was.

  • VB
    Victor Becker

    Wird auch Zeit dass hier mal was passiert!

    Ich bin zwar kein wirklicher Busfan, aber es wäre mir lieber als die teure und unpünktliche Bahn!

  • S
    Schulz

    Endlich kommt Bewegung in die Gebuehrenfallen genannt Verkehrspreise.

    Der Staat als Kartellschutz ist sowieso

    fast........ wirtschaftskriminalistisch zu sehen.

  • R
    reblek

    "Das Personenbeförderungsgesetz untersagt neue Transportangebote auf Strecken, die 'mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigt bedient werden'." Keine Ahnung, wie der Autor auf "befriedigt" kommt, denn im Gesetz steht "befriedigend".

     

    "Bei der Bahn gab es mit etwas Glück eine Ticket für 29 Euro..." Eher wohl "ein Ticket".

  • AD
    advocatus diaboli

    In einer Sammlung über Werbung bzw. Plakate der DDR sah ich einmal eines mit dem Euphemismus einer Mangelwirtschaft: "Durch die DDR geht's kreuz und quer, mit dem Schienenersatzverkehr."

     

    Damals habe ich noch gelacht, galt doch für die Befürworter eines leistungsfähigen, öffentlichen Verkehrswesens im Kampf gegen die Streckenstilllegungen der Bahn die Maxime: "Wer kann, fährt Bahn - wer muss, fährt Bus."

     

    Es stellt sich die Frage, wo im wiedervereinigten Deutschland die überfällige Verkehrsinfrastruktur entsteht, die Mobilität zu für jedermann erschwinglichen Preisen flächendeckend und sicher zur Verfügung stellt. Das Auto wird nicht einmal die Probleme der mobilitätswilligen älteren Menschen lösen, von denen in absehbarer Zeit sehr viele selbst nicht mehr fahren können, weil es zu teuer wird, nicht mehr fahren dürfen, weil man sie für zu wenig leistungsfähig hält, oder die einfach nicht mehr wollen, weil ihnen die verstopften Straßen, die fehlenden Parkplätze und ständig neue sinnlos-drangsalierende Vorschriften zu viel werden.

  • EL
    Edmund Lauterbach

    Gegen eine freiere Handhabung von Fernbuslinien ist nichts einzuwenden, falls

    1.) Die Busse Mautgebühren zahlen, die den Trassenpreisen der Eisenbahnen vergleichbar sind.

    2.) Die Busunternehmen bei Ausfällen und größeren Verspätungen genauso wie die Bahn Entschädigungen entsprechend der Regelungen für Fahrgastrechte leisten müssen.

    Konkurrenz funktioniert nur bei vergleichbaren Bedingungen.