Scheuers Formfehler in der StVO: Vollspeed zurück?
Der Bundesverkehrsminister will umstrittene Fahrverbote für Raser rückgängigmachen. Mithilfe eines selbstverursachten Formfehlers.
Konkret geht es um eine Neuregelung der Straßenverkehrsordnung (StVO) im Frühjahr diesen Jahres. Hauptziel von Minister Scheuer war es, den Straßenverkehr fahrradfreundlicher zu machen. So ist zum Beispiel nicht mehr erlaubt, dass Autos auf dem Fahrradweg anhalten. Außerdem müssen Autos, die ein Fahrrad überholen, jetzt innerorts 1,5 Meter Abstand halten (außerorts sogar zwei Meter).
Diese Änderungen erforderten kein Gesetz. Der Bundestag musste also nicht beteiligt werden. Andreas Scheuer konnte sie per Rechtsverordnung erlassen. Er brauchte allerdings die Zustimmung des Bundesrats. Diese Zustimmung bekam er Mitte Februar nur unter der Bedingung, dass auch Bußgelder und Sanktionen gegen Raser erhöht werden. So sollte ein Fahrverbot von einem Monat verhängt werden, wenn ein Autofahrer innerorts 21 Stundenkilometer zu schnell fährt (außerorts 26 km/h). Vorher gab es solche Fahrverbote erst ab 31 km/h Überschreitung (außerorts 41 km/h).
Scheuer akzeptierte die Bedingung und protestierte nicht einmal. Ihm war es damals vor allem wichtig, sich ein Image als Fahrradminister zu schaffen. Damit wollte er auch von der juristischen Niederlage bei der PKW-Maut ablenken, die der Europäische Gerichtshof beanstandet hatte. Deshalb trat die StVO-Novelle Ende April in der vom Bundesrat gewünschten Form in Kraft.
Raser fühlen sich drangsaliert
Nun regte sich allerdings Protest. Der kleine Autoclub „mobil in Deutschland“ startete eine Petition gegen die „Führerschein-Falle“, die inzwischen 160.000 Mal unterzeichnet wurde. Die Neuregelung „könnte zukünftig im Jahr in Deutschland bis zu zwei Millionen Führerscheine kosten“, wurde dort behauptet. Die StVO-Novelle „drangsaliere“ die Autofahrer. Auch AfD und FDP protestierten. Viele betroffene Autofahrer behaupten, sie seien keine absichtlichen Raser, sondern hätten nur das maßgebliche Schild übersehen.
Minister Scheuer griff den Protest auf und bezeichnete Mitte Mai die einmonatigen Fahrverbote plötzlich als „unverhältnismäßig“. Sie verletzten das „Gerechtigkeitsempfinden“ der Bürger. Für eine erneute Änderung hätte er allerdings wieder die Zustimmung des Bundesrats benötigt. Und die Grünen, die in zehn Bundesländern mitregieren, signalisierten schnell, dass sie Scheuers Rücksicht auf die Zu-Schnell-Fahrer nicht unterstützen würden.
Ende Juni verbesserte sich Scheuers Position aber schlagartig. Der ADAC und Verkehrsanwälte fanden heraus, dass das Verkehrsministerium bei der StVO-Novelle einen kleinen Formfehler gemacht hatte. Für die Regelung der Fahrverbote war nicht auf die gesetzliche Grundlage im Straßenverkehrsgesetz verwiesen worden. Der Fehler war schon in Scheuers Entwurf enthalten und wurde nicht erst durch die Verschärfungen des Bundesrats ausgelöst. Dies spricht gegen die Annahme, dass Scheuer mit dem Formfehler gezielt den Bundesrat austricksen wollte.
6 Buchstaben und Zahlen
Nun wäre der Fehler leicht zu beheben. Die Novelle müsste nur mit sechs zusätzlichen Buchstaben und Zahlen neu beschlossen werden. Aber Minister Scheuer nutzt nun den Fehler des eigenen Hauses, um von den Ländern eine Abmilderung der Fahrverbots-Regeln zu fordern. Dazu sind die Länder nach wie vor mehrheitlich nicht bereit.
Wer hier am längeren Hebel sitzt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Noch ist zum Beispiel nicht geklärt, ob der Formfehler nur die neuen Fahrverbotsregeln betrifft oder ob sogar die ganze Novelle nichtig ist, einschließlich der neuen Regeln zum Fahrradverkehr.
Viele Bundesländer haben bereits angekündigt, dass sie bis auf weiteres zu den alten Bußgelds- und Fahrverbotsregeln zurückkehren. Das hatte auch Verkehrsminister Scheuer empfohlen. Thüringen will aber am neuen Katalog festhalten und Baden-Württemberg wartet noch ab.
Offen ist auch noch, was mit Bußgeld-Bescheiden und Fahrverboten passiert, die in den vergangenen zwei Monaten verhängt wurden. Der ADAC geht von rund 100.000 Fahrverboten aus, die nun rechtswidrig seien.
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