Scheidender Bahnchef: Mehdorn besteht auf Abfindung
Der Noch-Bahn-Chef will bis zum Ende seines Fünfjahresvertrags weiterbezahlt werden. Wegen der Spitzelaffären in seiner Amtszeit stößt das auf Unbehagen.
Hartmut Mehdorn erregt weiter die Gemüter. Der Noch-Bahn-Chef will bis zum Ende seines Arbeitsvertrages im Mai 2011 weiterbezahlt werden - oder klagen. Das soll eine mit den Verhandlungen vertraute Person dem Handelsblatt gesteckt haben. Mehdorn verdient laut Geschäftsbericht 750.000 Euro im Jahr zuzüglich aller möglichen Boni, sodass er 2007 etwa 3 und 2008 rund 2 Millionen Euro kassiert hat.
Mehdorn hatte seine Worte beim Rückzug wohl gewählt. "Ich habe dem Aufsichtsratsvorsitzenden die Auflösung meines Vertrags angeboten." Damit schob er der Bahn AG die Rolle zu, ihn vor die Tür zu setzen.
Auslöser seines Sturzes war nicht seine verkehrspolitisch fatale Unternehmenspolitik, sondern die vielfältige Bespitzelung der Bahn-Belegschaft. So schaltete die Bahn AG zur Korruptionsbekämpfung Detektive ein, die auch die Kontenbewegungen von Mitarbeitern beobachteten, was auf legalem Wege nicht möglich ist. Das schwante der Führungsmannschaft irgendwann selbst, und sie stellte die Unterlagen der Berliner Staatsanwaltschaft zur Verfügung.
Direkt gegen Verantwortliche im Konzern ermittelt die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige eines Betriebsrats, weil das Unternehmen die E-Mails aller Beschäftigten systematisch durchforstet hat. Zwar gibt es im Bundesdatenschutzgesetz bisher nur eine Regelung zum Umgang mit Telefonaten: Ein Unternehmen darf - wenn Betriebsrat und Datenschutzbeauftragter im Unternehmen einverstanden sind und die Belegschaft Bescheid weiß - angerufene Telefonnummern registrieren. Verboten ist aber, die Telefongespräche abzuhören. "Für E-Mails gibt es noch keine gesetzliche Regelung, aber hier müsste parallel ebenfalls die Vertraulichkeit des Wortes gelten", so Dietmar Müller, Sprecher des Bundesdatenschutzbeauftragten. Noch ist unklar, was Mehdorn von alledem wusste und was er selbst angeordnet hat. Der 66-Jährige bestreitet jede persönliche Schuld.
Über die Frage, wie viel Geld er noch bekommen soll, gibt es derweil eine heftige Diskussion. Mehdorn habe "sicherlich Ansprüche", meinte der Sprecher der Bahngewerkschaft GDBA. Die Lokführergewerkschaft GDL weist die Forderungen dagegen aufgrund der Spitzelvorwürfe scharf zurück. Transnet und Wirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg verlangen von Mehdorn wegen der Wirtschaftskrise Sensibilität und Fingerspitzengefühl - was ein wirklich neuer Zug des Noch-Bahn-Chefs wäre.
Leser*innenkommentare
Amos
Gast
Wenn ich einem integeren Menschen das Mensch-sein
abgesprochen haben soll, so tut es mir leid- ansonsten.....
iris
Gast
nee, "der kleine mann" wird wegen einem vermutlich unterschlahenen pfandbon/einem stück kuchen/einer klorolle/etc. fristlos ohne abfindung gekündigt...
Thomas Paulsen
Gast
"Normalen" Arbeitnehmern wird bei einer derartigen vorsätzlichen Störung des Betriebsfriedens außerordentlich und fristlos gekündigt.
Damit erledigt sich dann jedwede Form von weiterer Vertragserfüllung, darunter auch Abfindungsansprüche.
Nur mal so als Anregung...
Lukas
Gast
Ich wusste gar nicht, dass ein fristlose Kuendigung - und das koennte der Arbeitgeber des Arbeitnehmers Mehdorn durchaus ausspechen, noch zu weiteren Zahlungen verpflichtet.
... vor gar nicht mal so langer Zeit wurde in Berlin eine Kassiererin wegen Unterschlagung von Centbetraegen fristlos gefeuert. Wie ist denn nun der Status von Mehdorns "Kuendigung"? War Anlass hiefuer nicht auch ein Straftatbestand, nicht gar ein klein wenig schlimmerer in Hinblick auf Datenschutz, Briefgeheimnis etc etc ???? Mal ganz abgesehen davon, dass doch eigentlich auch dies noch juristisch aufgearbeitet werden sollte (Die Herren Staatsanwaelte, wo sind sie denn?), sollte man doch auch hier die arbeitsrechtlichen Konsequenzen fuer den Arbeitnehmer Mehdorn beruecksichtigem, wenn er denn schon so versessen auf Details ist.
Willi
Gast
an sperrgut:
der vergleich hinkt, aber so wird ein schuh draus: manager pflichtversichern in einer art arbeitslosenversicherung. dann brauch es keine abfindungen oder weiterzahlungen. außerdem: bei jahresgehältern von über 500.000 euro könnte man den kündigungsschutz abschaffen. wer soviel bekommt, muß ja besonders wichtig und gut sein, wovor sollte der sich also fürchten? so einer wird nur entlassen, wenn's zurecht ist, keine firma sägt einen guten manager einfach so ab.
noch ein entscheidender punkt: die bahn muß jetzt doppelt zahlen, den alten weiter und den neuen. hätte der alte nicht so große fehler gemacht, wäre das nicht nötig! warum also soll der alte also ein recht auf das geld haben? schuld sind aber die vertragspartner.
Martin
Gast
@ Leon
naja, in anderen fällen gibt's verdachtskündigungen. bekommt emily eine abfindung oder ihren lohn weiterbezahlt? an den gesetzen kann es also nicht scheitern.
Andi
Gast
Das nervt. Politiker, die sich selber per Abstimmung (auch in Zeiten, die "Fingerspitzengefühl" erfordern) die Diäten erhöhen und fette Pensionen kassieren suchen sich in Wahlkampfzeiten ein Thema, bei dem der kleine Mann von der Straße - oder am Stammtisch - lauthals JAWOHL schreit, obwohl dieser wo es geht versucht, den Staat bei der Steuer zu bescheissen. Mehdorn, auch wenn unsympatisch und Mist gebaut, hat einen Vertrag. Wenn dieser entsprechende Punkte enthält hat Mehdorn eben im Vorfeld gut verhandelt. Unterschrieben wird der Vertrag aber immer von mehr als einer Person. Den Grad der Aufregung von der Höhe der Geldsumme abhängig zu machen ist populistisch und verlogen.
katch
Gast
Eine zweckgebundene Auszahlung, einzulösen an Bahnautomaten in Form von 2.-Klasse-Bahntickets, nur gültig bei drittklassigen Abfahrts- und Ankunftsorten, fänd ich vollkommen in Ordnung. Zuschläge für IC und ICE müssen selber übernommen werden. Barauszahlung ausgeschlossen.
Ullrich F.J. Mies
Gast
Dieses ewige dumme, verlogene Gequatsche und die Forderung nach
"mehr Fingerspitzengefühl",
"freiwilliger Sebstkontrolle",
"bitte, bitte nicht mehr so gierig sein"
zeigt nur, dass diejenigen, die diese Phrasen immer wieder bedienen, eine wikliche Änderung der kranken Zustände gar nicht wollen.
Leon Hartner
Gast
@ Martin:
"Jederzeit entlassen werden" steht aber in deutlichem Widerspruch zu den derzeit in der BRD geltenden Gesetzen. Da müsste man dann etwas etwas grundsätzlicher Regeln. (Was aber vll kein Fehler wäre)
@Amos:
Menschen das Menschsein abzusprechen nimmt idR keinen guten Ausgang.
sperrgut
Gast
Ich bin nicht mit Abfindungen für Manager, die ein Unternehmen in den Ruin getrieben haben und sich dann vom Acker machen.
Man muss hier aber mal feststellen, dass es Verträge gibt und dass Herr Mehdorn bei allem Respekt nicht die schlechteste Arbeit für die Deutsche Bahn geleistet hat.
Wo kommen wir hin, wenn jeder angegriffen wird, der auf die Erfüllung seiner geschlossenen Verträge pocht?! Als Beispiel für den kleinen Mann: Sie verursachen mit ihrem Auto einen Unfall bei dem Personen zu Schaden kommen. Ihr Auto ist Vollkasko versichert und sie bekommen dafür noch viel Geld. Könnte man ja auch als moralisch verwerflich hinstellen, wenn jemand für einen Unfall und Leid bei anderen Menschen noch Geld bekommt??
Wären die Herren Politiker, die jetzt so laut schreien, bereit auf ihre üppigen Pensionen zu verzichten, wenn sie - wie so oft - über irgendeine Affäre stolpern??
Bitte auf dem Teppich bleiben. Irgendwo muss ein Vertrag auch eingehalten werden, wenn er rechtskonform ist. Ansonsten muss man solche Entschädigungen gesetzlich verbieten. Das gilt dann aber auch für Jedermann.
Amos
Gast
Für was stehen eigentlich die Millionen? Für gute
Leistung oder für die Gier! Man hat schon mal gehört, dass man einen Nimmersatt mit flüssigen
Gold gefüllt hat. Dann hatte er endlich genug. Mit diesen Machenschaften (gefördert von der Politik)
geht doch unsere Gesellschaft vor die Hunde. Für das, was Mehdorn sich so alles erlaubt hat, müsste er doch noch Geld zurück geben. Das sind Schweine-
keine Menschen.
Martin
Gast
... der Ärger muß sich also gegen die verantwortlichen Politiker richten, die sich jetzt auch noch selbst aufregen (!). Und bitte mal umgekehrt bedenken, wie schwer es einem selber fallen würde, freiwillig auf Millionen zu verzichten, nur um seinen eh schon schlechten Ruf etwas zu verbessern. Zumal wenn man Kinder hat, denen man mit dem Geld eine sorgenfreiere Zukunft vererben kann. Erst recht in dieser unabsehbar weitreichenden Krise.
Martin
Gast
Der Fehler liegt nicht beim Privatmann, bei der Einzelperson Mehdorn. Fast jeder würde ebenso versuchen, an möglichst viel Geld zu kommen. Nein, schuld ist sein Vertragspartner, also der Aufsichtsrat oder Eigentümer der Bahn. Diese haben den Arbeitsvertrag ausgehandelt. Dort müßte klipp und klar stehen, er könne jederzeit entlassen werden und hat keinen Anspruch auf Abfindung oder Weiterzahlung. Als Gegenleistung bekommt er ja pro Jahr so viel Kohle, daß ein Normalo damit fürs Leben ausgesorgt hätte. Und er kann natürlich darauf vertrauen, daß sein Arbeitgeber ihn wirklich nur dann rauswirft, wenn es gute Gründe gibt.