Schauspielerin Heidi Kabel gestorben: Eine waschechte Hamburgerin
Sie war die populärste Schauspielerin der Nation, vor allem wegen der Stücke im Ohnsorg-Theater. Am Dienstag starb sie im Alter von 95 Jahren.
Ihr Rang als Fernsehschauspielerin ist heute nicht mehr begreiflich, Heidi Kabel aber war in den Sechziger- und Siebzigerjahren, vor allem in Stücken des Ohnsorg-Theaters, die das Fernsehen übertrug, die populärste Schauspielerin der Nation. Und das hatte seinen Grund nicht allein in der Art der Theaterästhetik, die die ARD gewöhnlich zur besten Sendezeit auszustrahlen wusste - sogenanntes Volkstheater, das vom humoresken Realismus lebte und die Figuren so zeichnete, wie sie das Publikum im wahren Leben auch zu kennen glaubte. Heidi Kabel war die beliebteste von allen, weil sie Tratschen, Giftziegen, (Schwieger-)Mütter, Nachbarinnen Stimme und Körper verlieh - immer auf eine gewisse selbstentlarvende Weise, niemals ernsthaft problematisierend.
Anders als ihre Kollegin Inge Meysel legte Kabel nie Wert darauf, Rollen im gesellschaftskritischen Kontext zu spielen - und hob sich so angenehm von der Aura der deutschen Leidensmutter der ewigen Meysel ab.
Heidi Kabel, 1914 in Hamburg geboren, kam kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten zur "Niederdeutschen Bühne" in ihrer Heimatstadt. Das war in einer Zeit, als angehende Actricen noch kein Missingsch (das Alltagshamburgisch, weder Platt- noch Hochdeutsch) lernen mussten, um als authentisch zu gelten.
Die Kabel, später, ehelich: Heidi Mahler, gab nie eine andere Rolle als die der anständigen, vernunftbegabten und lebenstüchtigen Frau. Ihre Stücke hießen "Wenn der Hahn kräht", "Die Kartenlegerin" oder "Tratsch im Treppenhaus": Stets lebte sie ihre Figuren mit einer präzisen Portion Verruchtheit, die sie mit hamburgischem Klang oft ins Harmlose färbte.
In einer wie ihr erkannte sich nicht nur das hanseatische Proletariat, das ins Kleinbürgerlich-Gemütvolle drängte, sondern die halbe Nation. Heidi Kabel gab mit den Jahren immer "gerner" (Hamburgisch) die Hamburgerin, die das "Herz auf dem rechten Fleck" trägt und im Jovialen immer das Mittel zum Ausgleich findet.
Die Schauspielerin, seit vielen Jahren nicht mehr Teil der kulturellen Öffentlichkeit in Hamburg, litt seit langem an Demenz. In einem Pflegeheim starb sie gestern im Alter von 95 Jahren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert