Schauspieler Jürgen Tarrach: Der tragende Nebenmann

Er hat kein Starappeal und spielt fast nur Nebenrollen. Und in denen schwache Männer wie "Bernie" in der ZDF-Komödie "Familie Fröhlich - Schlimmer geht immer". Gut so.

Der Arbeitslose Bernd Fröhlich (Jürgen Tarrach, re.) beim Bewerbungsgespräch in der ZDF-Komödie "Familie Fröhlich - Schlimmer geht immer". Bild: zdf

Jürgen Tarrach kann anziehen, was er will. Er sieht immer aus wie Jürgen Tarrach, der Spruch "Kleider machen Leute" stößt bei ihm an seine Grenzen. Und so wirken auch das Nadelstreifensakko und das knittrige weiße Hemd, das er beim Interview im Berliner Café Einstein trägt, wie von der Kostümbildnerin rausgelegt, irgendwie aufgesetzt.

Sich selbst entkommt man nicht - das weiß kaum ein deutscher Schauspieler besser als Jürgen Tarrach, der nicht viel hermacht und gerade deswegen aus der Fernsehunterhaltung kaum wegzudenken ist. Es wirkt, als wäre er schon immer da gewesen. Tarrach ist weder schön noch sonderlich markant, und trotzdem unverwechselbar. Die Selbstverständlichkeit seines Anblicks erklärt vielleicht, warum so wenig über den 49-Jährigen in der Zeitung steht.

Ihm fehlt das, was neudeutsch Starappeal genannt wird. Gut für ihn, denn wer nicht in der Bühnenmitte auftrumpft, läuft auch nicht Gefahr, dass sich das Publikum an ihm sattsieht. "Supporting actors" heißen Nebendarsteller in Hollywood, was ihre Aufgabe viel besser beschreibt als das deutsche Wort. So ein Unterstützungsschauspieler ist Tarrach, einer der besten, die wir haben. Damit hat er es bis in den Bond-Film "Casino Royale" gebracht.

Hin und wieder glänzt Tarrach natürlich auch in Hauptrollen, die ihm meist auf den knubbligen Leib geschrieben werden. "Sehr schmeichelhaft" findet er das. So war es bei "Die Musterknaben" und den beiden Fortsetzungen des Ralf-Huettner-Films und so ist es nun auch bei der abgesehen von Tarrach und Martin Brambach, noch so einem wunderbaren Allerweltsgesicht, nicht weiter erwähnenswerten ZDF-Komödie "Familie Fröhlich - Schlimmer geht immer".

Darin gibt dieser mal wieder seine Paraderolle, "den kleinen Mann, der in Bedrängnis gerät, kämpfen muss, schwitzt und seine Not schließlich überwindet", wie er selbst sie beschreibt. Dieser "Bernie", ein langzeitarbeitsloser Hausmann, der den Ordner mit den Absageschreiben im Wohnzimmerschrank vor seiner Familie versteckt, ist ein armes Würstchen, aber in seiner Unbeirrbarkeit und Wärme ein sehr sympathisches. "Die Menschlichkeit ist eine Eigenart von mir, die ich nicht verstecken kann", sagte Tarrach 1999 der Zeit. Für eine Binse halten kann das nur, wer noch nie einen Film mit ihm gesehen hat. Tarrachs Figuren mögen schwach sein, vom Leben angezählt, doch sie begegnen ihrer eigenen Vergeblichkeit immer mit Würde. Sie kämpfen. Und hoffen auf bessere Zeiten.

Stallknecht statt Landgraf

Auch wenn er Wert darauf legt, nicht nur sympathische Loser zu verkörpern, weiß Tarrach um die eigenen Begrenzungen. "Kein Schauspieler kann alles spielen, es spielt auch kein Schauspieler alles", sagt er. "Es sind immer nur Varianten dessen, was man mitbringt. Da helfen keine falschen Bärte oder aufwendige Kostümierungen." In sein Rollenfach gehöre eher der Stallknecht als der Landgraf. Die totale Verwandlung hält er für eine amerikanische Legende. "Das ist ein Werbegag Hollywoods. Dustin Hoffman ist Rain Man, so ein Blödsinn! Der hat das minutiös einstudiert, sich fast ein Jahr lang erarbeitet. Das ist wunderbar, aber keine Anverwandlung."

Nach 16 Jahren als freischaffender Schauspieler hat sich Tarrach an die branchenüblichen Festlegungen gewöhnt. Als Schicksal begreift er sie nicht, "das ist ja variantenreich", sagt er. "Mehr Abwechslung kann man sich immer wünschen. Ich bin unersättlich, aber nicht unzufrieden." Es sei gerade das Spannende in seinem Beruf, dass sich mit dem Älterwerden die Rollen wandeln. "Ich kann nur Weichen stellen, ich kann's nicht selbst entscheiden."

Mitunter hadert er dann aber doch mit dieser Fremdbestimmtheit. "Schauspieler ist der abhängigste Beruf der Welt", sagt er. "Man braucht ein Ensemble, eine Filmcrew oder das Theater." Er warte zwar nach einem Projekt nicht ständig darauf, dass endlich wieder das Telefon klingelt, "aber immer eine konkrete Perspektive zu sehen, macht mich natürlich glücklicher." Existenzängste sind Jürgen Tarrach nicht fremd, auch wenn das mit den Jahren besser geworden sei. Ab und zu allerdings überkommt ihn dann doch das Gefühl, dass die Wohnung in Zehlendorf zu groß sein könnte und der Lebensstandard insgesamt zu hoch. "Wir Schauspieler arbeiten ohne Netz und doppelten Boden", sagt er. "Morgen kann alles vorbei sein." Warum es ausgerechnet ihn treffen sollte, kann Tarrach nicht beantworten.

Kleinbürgerliche Wurzeln

Es sind seine kleinbürgerlichen Wurzeln, von denen er sich bei solchen Überlegungen nicht frei machen kann. Seiner Herkunft entkommt man nicht. Der Vater hat es vom Arbeiter zum Angestellten gebracht. Und der soziale Aufstieg soll im Sohn bloß nicht zu einem jähen Ende finden. Das ist er seinen Eltern schuldig. Die hätten seinen Berufswunsch immer unterstützt, betont Tarrach, "auch wenn es bei uns auf dem Land damals, in den 80er Jahren, absurd war zu sagen, dass man Schauspieler werden will". Tarrach ist in Wassenberg bei Erkelenz bei Aachen aufgewachsen, tiefste rheinische Provinz. "Trotz Erfolgen im Schultheater musste ich mich erst mal freischaufeln, um sagen zu können: Ich will Schauspieler werden."

Nach dem Abitur missglückten seine Versuche von einer Schauspielschule angenommen zu werden in Essen, Berlin und München, wo er immerhin in die letzte Runde kam und ein bisschen Selbstvertrauen gewann. Schließlich wurde Tarrach am Wiener Max-Reinhardt-Seminar angenommen, dem Olymp deutschsprachiger Schauspielschulen. "Ich war nie so identisch mit mir selbst, so erfüllt wie in dieser Zeit", sagt er. Die Vermutung, Tarrach sei damals ein Exot gewesen oder gar Außenseiter, lacht er weg, "ganz und gar nicht". Schauspieler mit ihren Rollen zu verwechseln ist dumm, aber auch eine Art Kompliment.

Jürgen Tarrach mag das Café Einstein so gern - schon mit der Autorin der Zeit 1999 hat er hier gesessen, damals noch wild qualmend -, weil es ihn an seine glückliche Studienzeit in Wien erinnert. Und weil es hier Backhendl gibt, in der heimischen Küche eine fettspritzende Sauerei, hier ein schweinischer Hochgenuss. "Einmal im Jahr muss das sein", sagt der Autor des Kochbuchs "Richtig fressen", der das aber am liebsten zu Hause praktiziert: "Ich bin nicht so der Kneipentyp, zu scheu und zu froh, Zeit mit meiner Familie verbringen zu können."

Am besten lassen sich zwei der drei großen Leidenschaften in Jürgen Tarrachs Leben in dessen Ferienhaus in Ligurien verbinden, wo er am liebsten auf den erlösenden Anruf aus Deutschland wartet. "Das Wichtigste dort ist, was ich einkaufe und was ich dann für meine Familie daraus koche", sagt er. "Ich genieße einfach den Tag, die Sonne und das Meer. Mehr mache ich da nicht."

Wirklich nicht? "Stimmt schon, als Schauspieler hat man nie wirklich frei", sagt Tarrach und räumt ein, dass er auch in Italien die eine oder andere DVD gucke, zur Branchenbeobachtung. Ebenso wenig wie seiner Herkunft entkommt man eben auch seiner Berufung nicht.

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