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Scharping auf Shopping-Tour in Bremen

■ Neue Auftragsflut für heimische Rüstungsbetriebe: Torpedos, Militärtransporter, Radarsysteme, Kriegsschiffe / Aus der Konversionsstadt wird wieder ein Ort der Rüstung

Bremen wird wieder abhängig von der Rüstungsproduktion. Torpedos, Militärtransporter, Aufklärungsradar, Kriegsschiffe – eine neue Auftragsflut „beglückt“ derzeit viele Firmen. Dabei hatten EADS, Lürssen oder STN Atlas in den 90er Jahren dem Geschäft mit dem Tod entsagt: Für die Konversion – die Umstellung militärischer auf zivile Produktion – gab es 45 Millionen Mark Fördergelder. 6.000 Arbeitsplätze wurden umgewandelt. Seit genau einem Jahr ist das Konversionsprojekt abgeschlossen, schon schießen sie wieder. Das Bremer Arsenal des Schreckens droht auf Dimensionen wie in den 80er Jahren anzuwachsen, als hiesige Rüstungsschmieden noch 15.000 Leute beschäftigten. „Schon in der zweiten Hälfte der 90er Jahre ist die Abhängigkeit Bremens von der Rüstungsindustrie wieder gestiegen“ sagt der Wirtschaftswissenschaftler Wolfram Elsner, Ex-Konversionsbeauftragter Bremens. „Derzeit zieht der Trend jedoch weiter an.“

Schwerter zu Pflugscharen – das war einmal. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) ordert gerade kräftig Militärspielzeug in Bremen. Gute Chancen, den Zuschlag für das Aufklärungs-Radar SAR-Lupe zu bekommen, rechnet sich derzeit die Raumfahrt-Firma OHB Systems aus. Konkreter ist die Auftragslage bei Lürssen. Kürzlich zog die Werft im Verbund mit zwei Partnern einen kapitalen Auftrag an Land: Fünf neue Korvetten für die Bundeswehr im Wert von 1,7 Milliarden Mark. Lürssen (1.000 Mitarbeiter) hatte in den 90ern den Rüstungsanteil seiner Produktion von 80 auf 40 Prozent gesenkt, nach außen präsentiert sich die Lemwerder Werft inzwischen als Bauer exklusiver Nobeljachten. Das dürfte sich ändern, wenn das Projekt in Berlin endgültig abgesegnet ist. Elsner sieht das mit Besorgnis: „Parallel mit dem Auslaufen der Förderung gibt es in Bremen wieder ein positives Klima für Rüstungsaufträge.“

Als Subunternehmer für die Korvetten dürfte Lürssen auch STN Atlas ins Boot holen. Hier arbeitet ohnehin die Mehrheit der 3.000 Angestellten an Militär-Projekten. Und schon winkt ein weiterer 700 Millionen Mark-Auftrag: der Bau von unbemannten Aufklärungs-Fliegern, sogenannten Drohnen.

Beispiel EADS Airbus. Bislang war von über 300 neuen Jobs durch den zivilen Riesenflieger A 380 die Rede. Jetzt kündigte der EADS-Vorsitzende Hans-Joachim Gante beiläufig an, dass der A 380 nur „100 zusätzliche Arbeitsplätze“ bringen würde. Dagegen werde der Militärtransporter A 400 M demnächst eine wahre Joblawine auslösen. Gante: „Der Rumpf soll in Bremen montiert und ausgerüstet werden.“ Von 500 neuen Stellen ist die Rede. Derzeit werkeln 50 von 2.700 EADSlern an Militärprojekten, der Rest an Touristenbombern.

In den 80ern war das Werk noch in hohem Maße vom Düsenflieger „Tornado“ abhängig. „Als der Tornado auslief, war der Airbus unsere Rettung – und unser Konversionsmodell“, sagt Udo Hannemann vom EADS-Betriebsrat. Dennoch zählen für ihn allein die Jobs, nicht das Produkt. „Wenn es jetzt neue Aufträge der Bundeswehr gibt, wollen wir im Norden unseren Anteil daran haben.“ Ein STN-Betriebsrat sagt: „Sollen wir Herde verkaufen? Wenn der Staat die Bundeswehr will, muss er seine Jungs mit sicherem Material losschicken – möglichst mit deutschem.“ Während Airbus derzeit neue Luftfahrt-Ingenieure mit 3.000 Mark- Prämien lockt, „rumpelt“ die Auftragslage bei STN. Gerade ging ein Auftrag aus Australien verloren.

Nicht nur ethisch ist Militär-Produktion problematisch. Desaströs für die Jobs ist es, wenn die Beschaffungsträume der Militärs vom Finanzminister zusammengestrichen werden. Schwacher Trost für Friedensbewegte: Kürzung, Straffung, Streichung dürfte auch vielen Bremer Projekten drohen, wenn sich die Konjunktur in Deutschland weiter abschwächt. ksc

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