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Schalker PersonalkreiselVerwalter des Mangels

Trainer Felix Magath veranstaltet ein heilloses Personalchaos. Wenn er jetzt noch Jefferson Farfan nach Wolfsburg ziehen lässt, hätte Schalke nur noch vier Stammspieler.

Was erspäht Felix Magath dort am Schalker Himmel? Einen neuen Mittelfeldspieler? Bild: dpa

GELSENKIRCHEN taz | In den Stunden bevor Ende Januar und Ende August die beiden Transferfenster schließen, ist Felix Magath im Stress. Mit eiligen Schritten verließ der Trainermanager von Schalke 04 nach dem 0:1 (0:1) gegen die TSG Hoffenheim die Arena, vielleicht hatte er einen Termin mit Gunther Neuhaus, dem Berater des Frankfurters Patrick Ochs. Oder er fuhr rüber nach Belgien zu Christophe Henrotay, der Jonathan Legear, einen offensiven Mittelfeldspieler des RSC Anderlecht, berät.

Denn Magath sucht nach einem Ersatz für Jefferson Farfan, für den der VfL Wolfsburg offenbar 15 Millionen Euro bietet. Der Trainer steckt so tief im Transfertunnel, dass er noch nicht einmal die Tabellensituation einschätzen mag. "Darüber denke ich im Moment nicht nach", sagte Magath und hastete davon. Wenn Ochs oder Legear zusagen, darf Farfan wohl gehen.

Dass Magath plötzlich bereit ist, seinen besten Feldspieler abzugeben, ist nur schwer verständlich. Farfan erklärte: "Bis Montag kann viel passieren, es ist noch nichts klar." Schon im Sommer wollten die Wolfsburger den Peruaner gerne verpflichten, der VfL hätte damals sogar Magaths Wunschspieler Zvjezdan Misimovic im Tausch herausgerückt. Doch Magath lehnte ab und gab 13 Millionen Euro für die Notlösung José Manuel Jurado aus. Gegen Hoffenheim saß der 90 Minuten auf der Bank.

Deshalb wäre ein Wechsel Farfans nach Wolfsburg auch eine persönliche Niederlage für Magath, in dessen Wirken sich auch nach eineinhalb Jahren keine klare Idee erkennen lässt. Genau genommen herrscht ein heilloses Personalchaos. So wurde Ivan Rakitic, einer der Leistungsträger der Ära Magath, gerade zum FC Sevilla transferiert, ohne den Kroaten und ohne Farfan gibt es neben Torhüter Manuel Neuer nur noch drei Stammspieler: Raúl, Christoph Metzelder und Benedikt Höwedes. Alle anderen sind Teil eines verwirrenden Rotationsspiels. Ab der kommenden Woche wird auch Anthony Annan Teil dieser Dynamik, der ghanaische Mittelfeldspieler kommt für angeblich rund zwei Millionen Euro von Rosenborg Trondheim.

In seiner ersten Saison war Felix Magath ein geschickter Verwalter des Mangels, jetzt, wo er teure Transfers realisiert, fehlen Homogenität und Konstanz. Guten Phasen wie im Spätherbst folgen leblose Auftritte wie gegen Hamburg und nun gegen Hoffenheim. Trotz 33 Verpflichtungen seit seinem Amtsantritt im Sommer 2009 hat Magath kein Team mit festem Kern, mit erkennbarer Perspektive geformt.

Das merken natürlich auch die Spieler. Dass Rakitic trotz Angebots der Schalker nie ernsthaft darüber nachdachte, seinen Vertrag in Gelsenkirchen zu verlängern, ist eine Folge dieser Perspektivlosigkeit. Dass Farfan aus der Champions League zu einem Abstiegskandidaten wechseln möchte und dass auch Neuer über einen Vereinswechsel nachdenkt, sind weitere Symptome des Verfalls. Der Glaube, dass unter Magath etwas Großes entsteht, ist einer sehr vagen Hoffnung gewichen.

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6 Kommentare

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  • H
    Holger

    Leider müssen und werden alle Schalker zustimmen. Der Artikel beschreibt die bittere Wahrheit auf Schalke. Bitter wird es erst in den kommenden Monaten, wenn es international und im DFB-Pokal keine Erfolge geben wird.

     

    wwww.pro-schalke04.de

  • G
    Gerd

    Farfan und Rakitic wurden in der Ära Schnusenberg verpflichtet und hatten dementsprechend überdurchschnittlich hoch dotierte Verträge.

     

    Magath hat oft betont, dass es ihm sehr wichtig ist, das Schalker Gehaltsgefüge zu konsolidieren. Aus diesem Blickwinkel heraus kann ich die Verkäufe absolut verstehen.

     

    Sportlich wird indes nur Farfan ein großer Verlust sein, Rakitic' Leistungen in dieser Saison lassen eher darauf schließen, dass er sich für einen neuen Verein interessant machen wollte.

  • B
    BiBo

    Ich teile Jans Meinung. Hinzu kommt, dass einige Profis auf Schalke, vor allem aus der Vor-Magath Zeit unwahrscheinliche Hohe Salaere bekommen und man darauf achten muss, dass das Gehaltsgefuege nicht vollends reisst.

     

    Zudem kann man sich ueber Farfans Einstellung bisweilen recht wundern, im letzten Spiel war er jedenfalls ein Totalausfall. Wechselgeruechte hin oder her.

  • J
    Jan

    Dass Rakitic trotz Angebots der Schalker nie ernsthaft darüber nachdachte, seinen Vertrag in Gelsenkirchen zu verlängern liegt daran, dass er glaubt zu den besten Spielern der Liga zu gehören und dementsprechend entlohnt werden möchte.

    Das er zwei Berater hat die davon profitieren, dass er wechselt macht die Sachen nicht einfacher.

    Ivan Rakitic redet jeden Winter und jeden Sommer darüber in Italien, Spanien oder England spielen zu wollen. Von seinen Beratern werden Namen wie Juventus oderr Inter in die Presse gesetzt.

    Das ganze hatte nie etwas mit Perspektivlosigkeit zu tun. Die hat er nämlich bei einem immer schwächer werdenden FC Sevilla.

     

    Zu Farfan lässt sich sagen, dass Magath nie auf die Idee käme ihn zu verkaufen, wenn Farfan sich mit dem Verein identifizieren würde und ein professionelles Verhalten an de Tag legen würde.

    So hat Magath allerdings nur die Möglichkeit für einen lustlosen und wechselwilligen Spieler eine möglichst hohe Transferentschädigung zu bekommen.

  • RP
    Roland P.

    Ein sehr guter Artikel, der gut -wenn auch oberflächlich- hergibt, was in Schalke passiert. Das Hauptproblem ist die Stellung, die sich H.Magath geschaffen hat ; dass er sich in seinem Chaos nicht zurechtfindet und seine Mitarbeiter nichts dazu sagen! Alles hört auf sein Kommando, niemandes Kritik ist erwünscht. Aus diesem Grunde spielt er immer wieder ein System, dass die Stürmer zur Verzweiflung bringen muss - es kommt einfach nichts an, was bis dato Weltklassestürmer wie Raul und Huntelaar verwerten können! Das zentrale Mittelfeld wird einfach ausgespart und die 'Außenposten' finden aus diesem Grund keinen Abnehmer um gefährliche Spielzüge einzuleiten. Mir ist unbegreiflich, dass dieses einfache Prinzip augerechnet von einem der ehemals besten deutschen Mittelfeldspieler nicht gesehen wird! Ich glaube mittlerweile, dass es unter H.Magath nichts mehr wird, da die Spieler den Glauben und das Vertrauen in ihn verlieren - da sieht man, wenn man sich z.B. Bilder mit Raketic und Magath ansieht... Als Uralt-Fan tut das alles verdammt weh - und da bin ich nicht allein!!

  • A
    anonym

    Naja, also dass nur 3 Stammspieler übrig seien, kann ich aber nicht so sehen:

    Da gehören für mich noch Huntelaar, Uchida (der ja nur wegen des Asien-Cups fehlte), Schmitz und evtl. Kluge mit dazu!

    Oder man definiere mir den Begriff Stammspieler neu...

     

    Nichtsdestotrotz ist es ein ziemliches Personalwirrwarr und ein Weggang von Farfan würde einen herben Verlust bedeuten und auch falsche Signale an das gesamte Team geben... ich sehe tatsächlich auch einen drohenden Zerfall- den man dann wiederum nur (mit Glück und) mit jungen Spielern auffangen könnte- so wie alles vor eineinhalb Jahren begann...