Schalke besiegt HSV: Zu viel geträumt
Der Hamburger SV verspielt mit einer 0:1-Niederlage gegen Schalke 04 wohl die Qualifikation für die Champions League. Innerhalb weniger Wochen hat Hamburg alles verspielt.
Fünf Spiele ohne Sieg - und dennoch träumten in Hamburg immer noch viele von der Champions League. Mit einem Sieg gegen den direkten Konkurrenten Schalke 04 hätte der HSV auch wirklich wieder auf Platz drei springen können. Ein sogenanntes 20-Millionen-Spiel - so viel wäre überschlägig in der Gruppenphase der Champions League zu verdienen.
Leider träumten auch die Hamburger Spieler kurz nach Anpfiff noch: Timothée Atouba, der an der Eckfahne wohl das Gefühl hatte, die Flanke werde dieser Albert Streit doch nie und nimmer in die Mitte bringen. Joris Mathijsen, der via Bild-Zeitung mitgeteilt hatte, er freue sich auf Kevin Kuranyi, aber in diesem Augenblick das Objekt seiner Vorfreude völlig aus den Augen verloren hatte. Und Bastian Reinhardt, der auch einen Diskretionsabstand zu Kuranyi wahrte, als wolle er sagen: Der? Kopfballtor? Niemals! Machte er aber doch. Sein achtes in der laufenden Saison, so viele wie kein anderer. Man hätte es also ahnen können.
Ausgeträumt, nach 91 Sekunden. Der HSV wachte auf, griff wütend an - und wäre fünf Minuten später fast schon endgültig ausgeknockt worden, als Halil Altintop mutterseelenallein aufs Hamburger Tor zustürmte. Viel mehr hatte die Schalker Offensivabteilung nicht zu bieten. Musste sie auch nicht. Denn erstens hatte Schalke eine von Marcelo Bordon hervorragend organisierte Abwehr. Und zweitens riss beim HSV nach ein paar guten Chancen durch Ivica Olic der Faden in Form einer Muskelfaser von Vincent Kompany, der nach einer knappen halben Stunde vom Platz humpelte.
Nach der Pause erzeugte der HSV nur noch physischen, aber keinen produktiven Druck. "Wir mussten in der zweiten Halbzeit ziemlich viel laufen", maulte Torschütze Kuranyi, als sei das der Gipfel der Zumutung und als habe man sich den Ausflug nach Hamburg kraftsparender vorgestellt. "Aber es hat sich ja gelohnt", fügte er dann hinzu.
Das kann man wohl sagen: Mit dem 1:0-Erfolg in Hamburg haben die Schalker sich auf Platz drei etabliert und ihre Minikrise offenbar überwunden, zwei Wochen nachdem der Verein Trainer Mirko Slomka feuerte. Interimstrainer Mike Büskens wollte sich die Lorbeeren allerdings nicht anheften: "Ich weiß nicht, was wir anders machen", sagte er nach dem Spiel, "es steht mir auch gar nicht zu, darüber zu spekulieren, was wessen Anteil an diesem Erfolg ist."
Man kann diese Äußerung auch als solidarische Geste gegenüber seinem alten Lehrmeister Huub Stevens verstehen, der in Hamburg allein deswegen nicht unter Druck steht, weil er seinen Abschied zum Saisonende schon vor der Winterpause angekündigt hat. Stevens hat Erfahrung mit dieser Art von Abgängen, auf Schalke und in Köln gestaltete er sie erfolgreich. Wohl auch deswegen haben sich die Hamburger bei der Nachfolgersuche eine Politik der ruhigen Hand verordnet.
Inzwischen könnte die zu zittern beginnen: Der HSV hat in wenigen Wochen alles verspielt, Stevens lässt alle Anzeichen einer lame duck erkennen: Dem Disziplinfanatiker fallen reihenweise Spieler wegen dümmster Unsportlichkeiten aus. Kompany büßte interne Taktikkritik mit einer Suspendierung, Rafael van der Vaart mokierte sich darüber öffentlich.
Stevens selbst, dessen Frau schwerkrank ist, wirkt kraftlos. Seine traditionell kargen Statements sind noch schablonenhafter geworden. Auf die Frage, ob er sich Sorgen mache, mit dem HSV gar den Uefa-Cup zu verpassen, antwortete er: "Ich mache mir jeden Tag Sorgen - aber nicht nur um Fußball. Es gibt so viele wichtigere Dinge."
Eigentlich eine Situation, in der man einen Nachfolger fragen müsste, ob er auch früher übernehmen könnte. Aber es ist ja keiner in Sicht. Und zu einem HSV, der auf der europäischen Bühne fehlen wird, will mancher Wunschkandidat vielleicht auch gar nicht kommen.
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