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Schacht Konrad - Pferdefuß für Rot-Grün

■ In Niedersachsen verhandeln in dieser Woche SPD und Grüne über eine Regierungskoalition / Von Jürgen Voges

In Hannover stehen die Zeichen auf Rot-Grün. Der Sieger der Landtagswahlen hält zwar sein Gesprächsangebot an die FDP aufrecht. Doch von zweigleisigen Verhandlungen spricht bei der SPD ernsthaft keiner mehr. Wichtigster Streitpunkt zwischen SPD und Grünen dürfte die End- und Zwischenlagerung atomaren Mülls werden. Noch hält sich Schröder in Sachen „Schacht Konrad“ bedeckt.

Der Landesverband könnte auch „Grüne Eintracht Niedersachsen“ heißen. Als Jürgen Trittin, Abgeordneter des Landtags, am Samstag abend den 48 grünen Kreisverbänden erstmals über den Stand der Koalitionsverhandlungen mit Schröders SPD berichtete, meldete die grüne Basis kaum Ansprüche an. Zaghafte Forderungen nach Öffentlichkeit der rot-grünen Verhandlungen wurden schnell abgebügelt. Die Aussicht auf eine rot-grüne Koalition in Niedersachsen tröstete denn auch gestern die ebenfalls in der Nähe von Osnabrück tagende grüne Landesversammlung über das schlechte Wahlergebnis hinweg. Die niedersächsischen Grünen hatten etwa ein Viertel ihrer Wähler eingebüßt.

Schon in der vergangenen Woche sind nicht nur bei dem Landtagsgrünen, sondern auch in der SPD-Fraktion zahlreiche Glückwunschschreiben von Einzelgewerkschaften, Naturschutzverbänden, Bürgerinitiativen, Frauengruppen und selbst von der Niedersächsischen Verbraucherzentrale eingegangen, die eine rot-grüne Koalition fordern und gleichzeitig ihre Ansprüche anmelden. Die Stimmung im Lande Niedersachsen steht auf rot-grün. Selbst der DGB gab schon am Tag nach der Wahl den Widerstand auf und schrieb, es könne von seiten der Gewerkschaften „keine prinzipiellen Vorbehalte gegen irgendein Parteibündnis geben“. Der niedersächsischen SPD bleibt jetzt überhaupt nichts anderes Übrig, als „ernsthaft und erfolgsorientiert“ (Gerhard Schröder) mit den Grünen zu verhandeln. Nur mit einer rot -grünen Koalition in Niedersachsen kann die Partei im Bundesrat als Opposition gegen die Deutschlandpolitik der Bonner Koalition auftreten. Auch bei den Parteirechten gibt es seit langem keine Berührungsängste mehr. Die drei SPD -Oberbürgermeister und Landtagsabgeordneten Herbert Schmalstieg, Gerhard Glogowski und Horst Milde regieren in ihren Städten Hannover, Braunschweig und Oldenburg seit langem im Bündnis mit den Grünen.

Die Grünen selbst drängt ihr bundesweites Tief in eine Koalition mit der SPD in Niedersachsen, zumal das bisher letzte rot-grüne Bündnis in Berlin ziemlich auf der Kippe steht. Mit dem Zuspruch für die Koalition, den die Grünen jetzt allenthalben von den Bürgerbewegungen erhalten, werden allerdings auch Ansprüche formuliert - und dies betrifft oft gerade die Konfliktpunkte mit den Sozialdemokraten. Bisher haben die Grünen die Anliegen der Bürgerinitiativen von AKW -Gegnern oder etwa der Initativen gegen Müllverbrennung umstandslos im Landtag vertreten. Nun sollen diese Ansprüche als Nein zur Müllverbrennung und zu den atomaren Entsorgungsanlagen gegen den Widerstand der SPD in den Koalitonsverhandlungen durchgesetzt werden. Zu den Konfliktpunkten gehört auch die im Jahr 2000 in Hannover geplante Weltausstellung, die Schröder vehement verteidigt und die die Grünen strikt ablehnen.

Grüne ohne

unverhandelbare Essentials

Bisher haben sich die Koalitonäre nur über Terminplan und Präambel ihrer Vereinbarung geeinigt. Vor dem 9. Juni wollen die Verhandlungskommissionen von SPD und Grünen zumindest über die Sachfragen einig sein. Auf der programmatischen Ebene gibt es natürlich auf zahlreichen Feldern - wie der Bildungs-, Sozial- und Medienpolitik - auch große Übereinstimmungen zwischen SPD und Grünen. „In anderen Politikbereichen wie beim Datenschutz und der Rechtspolitik werden die Grünen in den Verhandlungen dafür sorgen müssen, daß die SPD nicht hinter ihre eigenen Positionen zurückfällt“, meint das Mitglied der grünen Verhandlungskommission Jürgen Trittin. Der zukünftige Ministerpräsident will in den Koalitionsgesprächen nicht einfach Programmpunkte der Landes-SPD durchbringen, in den Knackpunkten wie etwa dem Endlager „Schacht Konrad“ will er Positionen der Bundes-SPD gegen die Grünen und Teile seines eigenen SPD-Landesverbandes durchsetzen.

Die Grünen signalisieren von vornherein Kompromißbereitschaft. „Wir gehen ohne unverhandelbare Essentials in die Koalitionsrunden“, sagt Jürgen Trittin für die Kommission. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich; die Bürgerinitiativen und die grüne Basis können nur abwarten, bis die Grünen am nächsten Wochenende die Öffentlichkeit über den Stand der Gespräche in einem Faltblatt informieren.

Gänzlich aus dem Koalitionsrennen ist jetzt die niedersächsische FDP. Von zweigleisigen Verhandlungen spricht bei der SPD zur Zeit niemand mehr. Das einzige Gespräch zwischen Sozial- und Freidemokraten blieb am Mittwoch abend ergebnislos. „Die FDP bewegt sich nicht“, sagte der SPD-Landesvorsitzende Johann Bruns, nachdem er sich mit Heinrich Jürgens, dem FDP-Landesvorsitzenden, getroffen hatte, der als einziger aus der niedersächsischen FDP-Spitze vor der Wahl eine sozialliberale Koalition nicht kategorisch ausgeschlossen hatte. Allerdings gilt die Allerweltsweisheit von Gerhard Schröder sicher auch für die rot-grünen Gespräche: „Alle Verhandlungen können scheitern.“

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