patrik schwarz über Schröder: Saubermänner und schmutzige Geschäfte
Politik und Putzen haben einiges gemeinsam. Nicht nur das P. Und manchmal spülen Politiker sogar ab
Sie werden’s nicht gemerkt haben, ich war im Urlaub. Schröder ebenfalls. Das haben Sie auch nicht gemerkt? Ist nicht Ihre Schuld. Die ruhige Hand war in den letzten Wochen einfach noch ein bisschen ruhiger.
Wir haben also nicht viel voneinander gesehen – wir, das Volk, und er, der Schröder. Mit Klara lief offenbar alles okay im Urlaub, mit Doris auch. Gut, dass zumindest ich ein paar Sorgen habe, über die ich reden kann.
Als ich Schülerzeitungsredakteur war, wollte ich Journalist werden. Als ich Journalist geworden war, wollte ich Kolumnen schreiben. Seit ich „Schröder“ schreiben darf, will ich über was anderes schreiben. (Danke für den Tipp, aber die „Anleitung zum Unglücklichsein“ hat mir gerade noch gefehlt.)
Zwei Mal im Monat 160 Zeilen über „Putzen“, zum Beispiel, das wär’s. Dann gäb’s jedes Mal den „Putztipp für die vertrackten Ecken“ und zum Schluss „Mein Scheuermittel der Woche“. Andererseits, so groß wäre der Unterschied zur Beschäftigung mit dem Bundeskanzler vielleicht gar nicht. Ob man sich mehr mit Putzen oder Politik befasst, scheint eher eine Frage biografischer Zufälle zu sein. Beiden Beschäftigungen kann man in der Freizeit oder hauptberuflich nachgehen, man kann es selber machen oder andern dabei zuschauen. (Obwohl sich der politische Beobachter einer gewissen gesellschaftlichen Respektabilität erfreut, während Menschen, die gerne anderen beim Putzen zugucken, dem Verdacht ausgesetzt sind, dabei rosa Plastikunterwäsche zu tragen.)
In beiden Branchen gibt es außerdem Leute, die auf eigene Rechnung arbeiten (die Putzfrau, der Möllemann), und solche, die in großer Zahl, einheitlicher Kleidung und auf Steuerzahlerkosten tätig sind – wobei sich Müllmänner wie Abgeordnete gegen den Ruf wehren, ein schmutziges Geschäft zu betreiben. Interessanterweise legen sie dabei denselben beleidigten Unterton unverstandener Wohltäter an den Tag: Man wolle doch nur für mehr Sauberkeit und Ordnung sorgen.
Die Berliner Stadtreinigung (BSR) hat auf die Müllverdrossenheit in der Bevölkerung übrigens mit einer Imagekampagne reagiert, von der die Politik noch lernen kann. So hat die BSR erkannt, dass es vergebene Liebesmühe wäre, die Menschen für Müll an sich zu begeistern (während den Politikverdrossenen in diesem Land immer noch suggeriert wird, ihnen würden bacchantische Genüsse entgehen). Vielmehr zeigt die Stadtreinigung in ihrer preisgekrönten Plakatserie zwei Müllmänner, die so knuffig sind, dass man ihnen nicht nur Jogurtbecher, Gurkenschalen und Babywindeln anvertrauen würde, sondern das Baby gleich dazu. „We kehr for you“: Das vermittelt Geborgenheit im Müllberg.
Gerhard Schröder und die SPD haben in dieselbe Richtung gedacht: Wie die Menschen beruhigen in unruhiger Zeit? Sie sind aber nur auf den Slogan „Sicherheit im Wandel“ gekommen. Reicht Ihnen das, um Ihr Baby Franz Müntefering anzuvertrauen?
Der Fairness halber sei nachgetragen, dass die knuffigen Müllmänner von den Plakaten vermutlich weder vor noch nach dem Fotoshooting je wieder einen Besen in der Hand hatten.
Und man muss aufpassen: Wenn Politik und Putzen sich mischen, wird’s schnell unangenehm (was macht eigentlich Günther Krause?).
Vor 68 galt es als anstößig, in die Politik zu gehen, nach 68, sich eine Putzfrau zu nehmen. Womit auch noch erwiesen wäre, dass das Leben früher tatsächlich einfacher war. Heutzutage muss man politisch sein – und auch noch seine Küche wischen.
Im gleichen Maß ist das Anforderungsprofil an Politiker gestiegen. Wer heute die Geschicke der Bundesrepublik lenken will, muss seinen häuslichen Abwasch im Griff haben. Was einst auch der damalige Bundespräsident Roman Herzog zu beweisen suchte, indem er sich für eine Bild-Homestory am Spülbecken ablichten ließ, Spülschwamm in der einen, Topf in der anderen Hand. Nur dass er vergessen hatte, seine Manschettenknöpfe abzunehmen, verriet, dass er die Hände unmöglich in der Brühe gehabt haben konnte.
Eine Freundin erläuterte mir neulich ihre politische Psychologie des Putzens. „Im Leben von Edmund Stoiber gibt es wahrscheinlich keine Unordnung“, sagte sie. Zu diesem Schluss kommt sie nicht etwa, weil sie den bayerischen Ministerpräsidenten allabendlich und auf allen Vieren die Fussel aus dem Flokati pusseln sieht, sondern weil sie ihn für einen Ideologen hält. Wer sich einer Ideologie verschreibt, argumentiert die Freundin, schafft sich in einer verwirrenden Welt eine einfache Ordnung.
Vergleichsweise harmlos ist da der Fall einer Bekannten, die bei sich einen „Zwang zum rechten Winkel“ diagnostiziert hat. Sie meint das nicht politisch, ist aber trotzdem beunruhigt: Sie ist viel ordentlicher, als sie sein will. Dies wiederum ist ein Problem, das vielen grünen Politikern bekannt sein dürfte. Von Cem Özdemir bis Renate Künast würden sie alle gern wild und gefährlich leben – und tun’s doch allenfalls attraktiv und preiswert.
Und ehe ich’s vergesse: Mein Scheuermittel der Woche ist die Frosch Orangen-Scheuermilch, („wirkt kraftvoll mit Fettlösern aus der Orange“), 500 ml bei Kaiser’s für 3,50 DM unverb. Preisempf.
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