Satire in der ARD nicht ausgestorben: Drei Wunderbäumchen am Rückspiegel
Der NDR zeigt den "Tatortreiniger" (22.25 Uhr). Und beweist damit, dass zumindest im Norden noch Restbstände von Satire und schieferer Bedeutung zu finden sind.
Sein Handy klingelt mit der "Tatort"-Titelmelodie, auch sonst ist Heiko Schott ganz televisionärer Durchschnittsbürger, der seinen HSV liebt und auch bei Autos, Frauen und alkoholischen Getränken nicht abgeneigt ist.
Nur sein Job macht "Schotty" (Bjarne Mädel) schon ein bisschen anders. Denn auch er gehört irgendwie zum "Tatort"-Team, allerdings mit einem Job, der nicht in den Medien auftaucht. Schotty von der SpuBe (Spurenbeseitigung) kommt, wenn die SpuSi (Spurensicherung) dann mal fertig ist - und macht sauber. Er ist der "Tatortreiniger" mit dem trüben Blick und Stoppelbart, der in seinem Dienstwagen gleich drei Wunderbäumchen am Rückspiegel braucht, um frischen Wind zu erzeugen. "Meine Arbeit fängt da an, wo sich andere Leute übergeben", sagt Schotty gerne bei jeder passenden Gelegenheit. Und ein bisschen ist es schon schade, dass man Fernsehen immer noch nicht riechen kann.
Wo der ungeplante Tod gerade erst ausgezogen ist, bleibt eben immer etwas zurück. Blut zumeist, gern auch das linke Ohr. Und vielleicht auch was vom Geist des Verblichenen. Jedenfalls bekommt Schotty bei seinen Einsätze gern mal Besuch von hektischen Kommissaren (übrigens den echten "Tatort"-Gestalten Anneke Kim Sarnau udn Charly Hübner), die das vergessene Ohr suchen.
Oder auch einer Prostituierten, die eigentlich vom Mordopfer auf einen Quickie bestellt war. Daraus erspinnen sich dann bizarre Dialoge von herzzerreißender Komik, auch menschlich kommen sich der "Stromberg" und "Mord mit Aussicht" gestählte Mädel und die gern mal als Domina gebuchte Dame näher, doch dann rufen wieder Dienst und Kärcher-Hochdruckreiniger.
Wirklich schwarzer Humor ist das nicht, aber für das, was jenseits von "heute show" und "extra 3" durchs öffentlich-rechtliche Fernsehen geistert, schon ganz proper. Der NDR baut so seinen Ruf als einsamer Satire-Hort in der ARD weiter aus. Und hetzt in der zweiten Folge am Donnerstag Schotty einen lebenskrisengeplagten Schriftsteller deutscher Zunge auf den Hals, der eindrücklich beweist, dass auch Kleinkunst ein Schwerverbrechen sein kann.
"Der Tatortreiniger", Mittwoch, 4. Januar, 22.25 Uhr und Donnerstag, 5. Januar, 22.30 Uhr, NDR
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen