Sarkozys Buch über sich selbst: Ein Hors d’œuvre vor dem Wahlkampf
Frankreichs Expräsident hat ein Buch geschrieben. Es handelt von ihm, seinen Freunden, seinen Fehlern und denen seiner Gegner.
Nicolas Sarkozy hat in seinem Buch, in dem sich Reue, Ärger, Hoffnung, Ambition und Überzeugung mischen, einiges zu sagen, das nicht nur seine früheren Wähler interessieren muss: über sich, über seine Gegner, seine echten und falschen Freunde und vor allem über Frankreich.
„La France pour la vie“ lautet der Titel und verkündet, gleich einer patriotischen Liebeserklärung, dass er „Frankreich fürs Leben“ gern hat. Beim Lesen der zehn Kapitel versteht man sehr schnell, dass er auf innige Gegenliebe hofft, denn er möchte auch fürs Leben gern wieder Präsident werden.
Allem Anschein zum Trotz schickt er voraus: „Dieses Buch ist keine Ankündigung meiner Kandidatur bei den kommenden Präsidentschaftswahlen.“ Weil er aber nicht auf ein Comeback verzichten will, kommt er um eine selbstkritische Bilanz mit Nabelschau nicht herum. Er kennt seine Stärken und Schwächen.
Bekannt als „Bling-Bling“-Präsident mit 27 Fehlern
Mit einem Zitat von Konfuzius räumt er freimütig ein: „Der Bogenschütze ist ein Vorbild des Weisen. Wenn er sein Ziel verfehlt, sucht er den Fehler bei sich selbst.“ Er gesteht ein, dass er sich mit seinem aufbrausenden Temperament manchmal gehen ließ, wie im Landwirtschaftssalon, als er einen unfreundlichen Besucher mit „Casse-toi, pauvre con!“ (Verdrück dich, du Idiot) beschimpfte. „Das war ein Fehler, denn dieser Mann hatte das Recht zu denken, was er sagte, auch wenn er nicht so mit mir reden durfte. Das war dumm von mir, ich bedauere das noch heute.“
Auch hält er es im Nachhinein für deplatziert, dass er gleich nach seiner Wahl 2007 den Sieg in einem Pariser Nobelrestaurant mit seinen reichsten Spendern feierte und sich danach vom befreundeten Milliardär Vincent Bolloré zu Ferien auf eine Luxusjacht einladen ließ. „Ich hätte wegen meines neuen Status als Präsident misstrauischer und vorausschauender sein müssen.“ Denn gleich von Beginn an war er deswegen als „Bling-Bling“-Präsident mit einem Hang zum Luxus und Glamour abgestempelt.
Die Zeitung Le Figaro hat bei der Lektüre 27 „Fehler“ erfasst, die Sarkozy in seinem „Mea culpa“ eingestehe. Offen bleibt, ob das reicht, um als Weiser wie Konfuzius in die Geschichte einzugehen. Mit Bedauern allein ist noch kein Programm geschrieben. Noch lieber teilt er Kritik und Lektionen anderen aus: seinen gestrigen Kollegen und Mitarbeitern, die heute zu Rivalen werden, aber auch dem derzeitigen Staatschef Hollande, den er während der Kampagne zweifellos unterschätzt hatte.
Er möchte aber ihm gegenüber fair bleiben, er habe nämlich „mit ihm keine Rechnung zu begleichen“. Doch gleich attackiert er wieder: „Wie seine Freunde, zu denen ich nicht gehöre, weiß ich, wie sehr er manipulieren, maskieren und manchmal sogar die Wahrheit verdrehen kann.“
Sinkender Stern vermisst Rampenlicht
Wer indiskrete Informationen oder Klatsch über Staats- und Regierungschefs erwartet, denen Sarkozy begegnet war, wird enttäuscht. Die Außenpolitik nimmt überhaupt wenig Platz ein in dieser subjektiven Retrospektive. Zu seiner innenpolitischen Bilanz merkt er mit Bedauern an, dass er die nötigen Reformen nicht sofort, in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft eingeleitet habe. Vor allem bei der Rentenreform, bei der Abschaffung der 35-Stunden-Woche und der Vermögenssteuer ISF sei er „zu wenig weit gegangen“.
Jetzt ist er 61 und fühlt sich noch zu jung für eine Frühpensionierung als Politiker. Er hatte 2014 voller Tatendrang und Ehrgeiz den Parteivorsitz wieder übernommen, die UMP in der Perspektive eines Neubeginns in „Les Républicains!“ (LR) umgetauft.
Der anfängliche Elan ist längst erlahmt. Laut Umfragen ist Sarkozy selbst im eigenen Lager nicht der Favorit. Gegenwärtig würden die Sympathisanten der Partei LR ihm Expremier Alain Juppé vorziehen. Die Vorwahlen zur Nominierung des bürgerlich-rechten Präsidentschaftskandidaten finden im November statt. Für Sarkozy, dessen Stern zu sinken begann, war es der ideale Zeitpunkt, sich mit einem Buch in den Medien ins Rampenlicht zu stellen. Zu seiner Karriere meinte er in einem TV-Interview vielsagend, „die letzte Seite“ sei noch nicht geschrieben.
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