: Sarajevo unter Feuer
■ Waffenruhe erneut zusammengebrochen/ Bosnien und Kroatien schlossen Militärbündnis gegen Serben
Sarajevo/Bonn (ap) — Der zeitweilige Waffenstillstand in Sarajevo ist unter dem schweren Feuer serbischer Batterien gestern früh zusammengebrochen. Serben aus der Lukavica-Kaserne westlich von Sarajevo feuerten mit Panzerkanonen vom Flughafen, den sie seit zwei Monaten blockieren. Mindestens fünf Gebäude in der Umgebung der Fernsehsendezentrale der bosnischen Hauptstadt standen in Flammen. Auch die drei Außenbezirke Mojmilo, Dobrinja und Neusarajevo, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, hätten unter Feuer gelegen. Erst gegen 8.30 Uhr flaute der Beschuß ab.
Unterdessen hat Bosnien-Herzegowina nach Angaben seines Präsidenten Alija Izetbegovic mit Kroatien ein militärisches Bündnis gegen die Serben geschlossen.
Die Situation in Sarajevo ist weiterhin katastrophal: leere Läden, stinkender Hausmüll — seit Wochen arbeitet keine Müllabfuhr — liegt auf den Straßen und akute Seuchengefahr wegen der schlechten hygienischen Bedingungen bestimmen das Bild.
Versuche der Vereinten Nationen, den Flughafen zu öffnen, mußten unterbrochen werden. Bundesaußenminister Klaus Kinkel forderte in Bonn militärische Gegenmaßnahmen, auch wenn sich Deutsche daran aus historischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht beteiligen könnten.
Ein UNO-Beobachter sprach in Sarajevo sogar von einem „totalen Krieg“, als das Feuer von beiden Seiten am Vormittag erneut eröffnet wurde. Der gesamte Westteil der Stadt lag unter Beschuß von schwerer Feldartillerie, Panzerkanonen, Mörsern und Stalinorgeln. UNO- Sprecher Fred Eckhard erklärte in Belgrad, wegen der Kämpfe hätten Versuche verschoben werden müssen, die Straße zum Flughafen zu öffnen.
Über mögliche Opfer machten die bosnischen Behörden keine Angaben, der kroatische Rundfunk sprach von mindestens sechs Toten und vierundvierzig Verletzten seit Dienstag abend, als um das Parlamentsgebäude Maschinengewehrfeuer zu hören war und eine Mörsersalve einschlug. Moslemmilizen hatten in der Umgebung der Stadt verschiedene Erfolge erzielt. Kroaten setzten ihre Rückeroberungen in Herzegowina fort.
Unterdessen schloß Bosnien-Herzegowina nach Angaben seines Präsidenten Alija Izetbegovic mit Kroatien ein militärisches Bündnis gegen serbische Angreifer. Kroatien werde Militärhilfe leisten. Unklar blieb, ob auch reguläre kroatische Truppen in die Kämpfe eingreifen sollen. Izetbegovic sagte lediglich, bosnische Kroaten hätten sich dem bosnischen Oberkommando unterstellt. Izetbegovic zeigte sich zuversichtlich, daß der Flughafen bald geöffnet werden könne. Er sagte: „Wenn wir es nicht durch Verhandlungen schaffen, dann mit Gewalt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen