Sanssouci: Vorschlag
■ „Der Schönheit Gleichen“ – Eine Ausstellung der Künstlerinnengruppe Whodunit im Filmmuseum Potsdam
Ausstellungen sind immer wieder die helle Freude. „Gott, hier sind ja lauter Nackte“, entfährt es einer Besucherin des Potsdamer Filmmuseums, die es versehentlich zwischen die Plastiken von Nina Mücke verschlagen hat. Nina Mücke ist eine von fünf Künstlerinnen der Berliner Gruppe Whodunit, und Nina Mückes Plastiken sind keineswegs immer nackt. Sie stellen Variationen auf das Thema „Schönheit“ dar, an dem sich auch die Bilder, Rauminstallationen, Tafeln und Objekte von Christiane Voss, Dorothea-Christina Etzler, Kerstin Elisabeth Schröder und Hilla Stute versuchen.
Am Eingang wird man von einer lila Kleenex-Box empfangen. Der Preis der Drogeriekette klebt noch dran, und „Bitte bedienen Sie sich“, steht auf dem Schild unter der Schachtel. Gleich daneben findet sich eine in Folie gewickelte gold-blaue Schmuckschatulle. Es geht jedoch gar nicht um die Schönheit, der gerne nachgeholfen wird, um Make-up, Ohrgehänge oder Fruchtsäurecremes. „Der Schönheit Gleichen“ geht davon aus, daß es auf die konkrete Frage, was denn nun schön sei, nie eine Antwort geben kann, daß Schönheit ein interaktives Konstrukt ist. Die Eigenschaft, „schön zu sein“, nehmen Gegenstände, Personen und Ideen vielmehr im Gefühl des Betrachters an. Schönheit, so der Ansatz der Ausstellenden, ist innere Wertigkeit, aber auch Form, ist Wahrheit, Erhabenheit und Transzendenz, identitätsstiftender Spiegel, ein Maß Tragik, Ewigkeitsversprechen und Überhöhung. Schönheit ist letztlich vor allem Aspekt und Vehikel von Kommunikation, in der die verschiedenen ästhetischen Vorlieben transportiert werden. „Schönheit“, so Hilla Stute, „ereignet sich.
Holzfiguren im Zustand geschlechtsloser Kindlichkeit, mit denen man spielen darf
Solche Kommunikation über Schönheit beginnt zunächst im Versuch ihrer technischen Herstellung, zwischen der Künstlerin und ihrem Material, und setzt sich zwischen Betrachtern und Objekten fort. Die fünf Gleichungen, die Whodunit dazu aufmacht, sind nicht eben unproblematisch. Nina Mückes übermannshohe, mit Rügener Kreide braun-beige kolorierte Holzobjekte ähneln stark typisierten Kinderfiguren, wie man sie aus Illustrationen älterer Fibeln erinnert. Bekleidet mit kurzen Hemdchen und Hängekleidchen oder vollkommen nackt, die Brüste nicht ausgebildet und ohne Schamhaar, scheinen sie alle im gleichen Zustand geschlechtsloser Kindlichkeit zu verharren.
Sieben von ihnen stehen auf kleinen Wägelchen, eine Paraphrase auf die Vita activa, die anderen sieben sind ohne Füße starr an die Wand gelehnt – Vita contemplativa. Die Objekte weichen in ihrer Gestalt nur wenig voneinander ab; fast ist es so, als hätte Nina Mücke einem Ringelreihen plötzliche Verhaltenheit des Ausdrucks verordnet. Diese „Corpus-anima-animus“- Installation möchte einen Raum zum „Bewegen, Spielen und Betrachten“ schaffen. So ganz überzeugt das nicht; zu sehr muß sich das Spiel auf verkindlichte Grundzüge und griffige Abstraktionen beschränken.
Ein interessanteres Angebot zum Thema macht da die Installation von Christine Voss. Drei makellose Pyramiden aus Holz hat sie nach alten Bestrafungsritualen geteert und gefedert und in ihre Mitte „Überwachungs-Bilder“ gehängt – Videoaufnahmen von Autofahrern im Straßenverkehr, als vergrößerte Laserkopie auf transparente Folie abgezogen. Vollkommenheit sieht sich hier in doppeltem Sinne mit Wahrheit und Bestrafung konfrontiert.
Haut, Poren, Haar – grau-schwarze, blasige und faltige Flächen: Sinnbilder körperlicher Schönheit?
Schön, und dann als nebeneinander plazierte Zweifachausgabe schon nicht mehr einzigartig schön ist auch D.C. Etzlers Ausschnitt eines Christuskopfes auf weißem Leinen. Sakrale Heilserwartung und Ästhetik der Grausamkeit verstärken sich in der Verdopplung des Bildes gleichermaßen. Hilla Stutes vier im Siebdruckverfahren gestaltete Klapptafeln schaffen, anknüpfend an die Idee von Bild und Spiegelbild, ideelle Spiegel auf der Suche nach der Schönheit, ein zweites Ich und einen indirekten Erzähler dieser Spiegelungen.
Die Tafeln mit Flugzeug, Industrieschrauben, Rollen, Autos, winzigen Preisschildern und grünem Reh verweisen aufeinander wie die große Eins, die spiegelverkehrt auf der anderen Seite einer der Klapptafeln erscheint. Die Klapptafeln schließen kreisförmig ausgelegte, farbige Holzleisten, ein Makromikado, ein. K.E. Schröders Acrylbilder spielen mit Kategorien von Verwandlung, „Zufall – Einschätzung – Produkt“. Die grau-schwarzen, blasigen und faltigen Flächen könnten Haut, Poren, Haar oder auch Eiweißkörper simulieren, Krater, Lava und Lichtungen – Sinnbilder, deren Schönheit in der Körperlichkeit liegt.
Whodunit ist nicht unbedingt der Verknüpfung von Schönheit und Weiblichkeit, deren Tabus und Klischees nachgegangen, obwohl das Entree zur Ausstellung, Kleenex und Schatulle, so etwas suggeriert. Die Gleichungen der Künstlerinnengruppe sind Maskerade und Synonyme ihres Namens: Whodunit? Das mag enttäuschen, ist aber auch eine Chance, sich vom bekannten attributiven Gebrauch des Wortes „schön“ zu lösen. Parallel zur Ausstellung werden drei Filme gezeigt: „Tausendschönchen“, „Letztes Jahr in Marienbad“ und „Zu schön für dich“: Surrealismus aus den tschechischen Sechzigern und zwei französische Liebesgeschichten – ein Bezug zum Thema der Ausstellung drängt sich nicht auf, es hätten genausogut andere Filme sein können. Anke Westphal
Bis 18. September, täglich außer montags 10-17 Uhr im Filmmuseum Potsdam, Breite Straße 1.
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