piwik no script img

Sanktionspolitik der EUEin Maulkorb für Ungarn?

Die Abgeordneten des Europaparlaments erwägen, dem Land das Stimmrecht zu entziehen. Denn Budapest gefährde demokratische Grundwerte.

Könnte bald noch mehr Druck aus Brüssel bekommen: Ungarns Regierungschef Viktor Urban. Bild: dapd

BRÜSSEL taz | Das Europäische Parlament will die Mitgliedsstaaten der Union dazu auffordern, Ungarn die Stimmrechte in den EU-Gremien zu entziehen, sollte die Orbán-Regierung nicht ihre umstrittenen Gesetzesänderungen zurücknehmen. Diese gefährden, so die Abgeordneten, das demokratische Grundverständnis in der EU.

In einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution erklärten die Abgeordneten, sie seien "zutiefst besorgt über die Lage in Ungarn in Bezug auf die Praxis der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Achtung und des Schutzes der Menschenrechte". Die Parlamentarier wollen deshalb in den kommenden Monaten prüfen lassen, ob sie einen Sanktionsmechanismus auslösen können, der in Artikel 7 des Vertrags von Lissabon vorgesehen ist.

Darin heißt es, dass einem Land bestimmte Rechte - zum Beispiel die Stimmrechte im Europäischen Rat - entzogen werden können, falls es die gemeinsamen Werte der Union verletzt. "Wir hätten das gerne schon jetzt direkt angestoßen, aber wir befürchten, dass wir im Rat nicht die notwendig Mehrheit bekommen werden. Deshalb haben wir eine zusätzliche Prüfung dazwischen geschoben", sagt die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel. Dieses Verfahren soll bis zum Sommer abgeschlossen werden.

Das Parlament ist vorsichtig, denn sein Handlungsspielraum ist eingeschränkt. Es kann zwar den Rat auffordern, über Artikel 7 zu entscheiden. Die Sanktionen treten aber nur dann in Kraft, wenn zwei Drittel der Mitgliedsstaaten dafür stimmen. "Dass dies zurzeit nicht der Fall ist, wertet Orbán garantiert als Bestätigung seiner Politik", sagt Birgit Sippel.

Die Abgeordneten gehen in ihrer Resolution weit über die von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren hinaus und prangern zum Beispiel auch die Einschränkung der Pressefreiheit an. "Die Kommission hat ihre Kritik auf wenige Probleme beschränkt und das gesamte Ausmaß des Abbaus demokratischer Rechte in Ungarn ignoriert", sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europäischen Parlament, Rebecca Harms.

Dieses Vakuum wollen die Parlamentarier nun ausfüllen. Bisher ist der Artikel 7 noch niemals angewendet worden. Als die rechtspopulistische FPÖ von Jörg Haider im Jahr 2000 an der Regierung in Österreich beteiligt wurde, erwogen die Mitgliedsstaaten, die Alpenrepublik mit Sanktionen zu belegen. Sie taten das dann allerdings bilateral außerhalb der Europäischen Verträge.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • HS
    Hari Seldon

    @orban-bann:

     

    Bitte, meinen Sie, dass die europäische Freiheit gleich mit Kinderpornografie (Cohn-Behndit), Maoismus (Barroso), Rauschgiftliberalisierung, Raubprivatisation, Neoliberalismus,usw. wäre? Bitte, vergessen Sie es nicht, dass zur Zeit Herr Orban die grösste demokratische Legitimierung mit mehr als 2/3 Mehrheit hinter sich in der EU hat. Bitte, vergessen Sie es auch nicht, dass sogar die Grünen in Ungarn haben sich von der EU-Fraktion der Grünen scharf abgegrenzt, und mit den Aktionen der Grünen im EU-Parlament nicht einverstanden sind. Ditto die Sozialisten in Ungarn. Die EU-Bürokraten berücksichtigen nur die Wünschen einer sehr kleinen Minderheit in Ungarn. Aber diese Minderheit ist "etwas" überrepräsentiert in den Systemmedien, und wie wir alle wissen, lügen die Systemmedien wie gedruckt.... Die Bevölkerung in Ungarn will so leben, wie die Bevölkerung leben möchte, und für diese demokratische Entscheidung hat die Bevölkerung in Ungarn (und in anderen EU-Staaten) einen Anspruch. Speziell sind hier die Grünen im EU-Parlament undemokratisch, weil sie in die inneren Angelegenheiten eines unäbhängigen und souveränen Land einmischen wollen. Es ist kein Zufall, dass immer mehr Menschen in der EU mit den EU-Bürokraten und mit der EU die Nase voll haben.

  • MT
    Miklos Tverdota

    Die Theorie der Sozialismus und die real existierende Sozialismus

     

    Die Vorfechter der kommunistischen Ideologie haben die Theorie des Kapitalismus in jede Woche mehrmals besiegt. Dann ging Mann auf die Straße, und hat Mann festgestellt: „Ich lebe in der Mittenalte“.

     

    Die Unabhängigkeit der Justiz

     

    Die Richter die heute über 60 sind könnten nur Richter werden, wenn die ein Parteibuch gehabt haben. Interessante weise sind „Sozialisten“ wegen Korruption nie verurteilt worden. Wenn Sie endlich mal in die Rente gehen wir dadurch die Justiz in Ungarn erst mal unabhängig. Alle Richter dürfen bleiben die nachweisen können, dass Sie ohne Zustimmung der Kommunistische Partei Richter geworden sind.

     

    Die EU sagt diese Beamten können bis 70 nicht in der Rente geschickt werden, weil sonst die Unabhängigkeit der Justiz gefährdet ist. Anders gesagt die Bolschewiki in der Justiz zu halten ist jetzt eine EU-Aufgabe geworden. (SPD und Grünen bitte hier Klatschen!)

     

    Die Theoretische EU spricht über unabhängige Justiz die real existierende EUDSSR halt Bolschewisten an der macht.

  • T
    Tamino

    Wo bleibt denn da die Stimme der (sch)mächtigsten Frau der Welt? Die Stimme unserer Menschenrechtsverfechterin, unserer Gipfelstürmerin schlechthin? Es ist ein Armutszeugnis und lässt Schlimmes befürchten, wenn in einem solch fortgeschrittenen, demokratiefeindlichen Stadium, wie in Ungarn, um die notwendige Stimmenmehrheit gebangt werden muss, wenn in der EU gegen die Rechtsradikalen in Ungarn ein Stimmverbot durchgesetzt werden soll.

  • T
    Tamino

    Wo bleibt denn da die Stimme der (sch)mächtigsten Frau der Welt? Die Stimme unserer Menschenrechtsverfechterin, unserer Gipfelstürmerin schlechthin? Es ist ein Armutszeugnis und lässt Schlimmes befürchten, wenn in einem solch fortgeschrittenen, demokratiefeindlichen Stadium, wie in Ungarn, um die notwendige Stimmenmehrheit gebangt werden muss, wenn in der EU gegen die Rechtsradikalen in Ungarn ein Stimmverbot durchgesetzt werden soll.

  • D
    deutscherExportWAHN

    Bravo Frau Sippel und Frau Harms!

  • P
    Pannonius

    Ungarn sollte sogar schnellstmöglich aus der EU ausgeschlossen werden. So hätten wir wenigstens ein Land, wo nicht die Eurokraten das Sagen haben. Vorher sollte aber Herr Wulff diesen Barbaren die Leviten lesen und am eigenen Beispiel erklären, wie Pressefreiheit doch geht!

  • O
    Orban-Bann!

    Wenn das gemacht wird mach ich einen Schampus auf! Die Frage ist zu stellen - was ist Europa. Europa ist nicht,was Orban tut. Entsprechend drastisch sollte die Antwort der EU ausfallen. Die ganzen zauderer, die sich Sanktionen gegen ihn widersetzen, die sind die Totengräber der europäischen Freiheit. mann sollte sie alle beim Namen nennen. Taz, mach dann einen Artikel,wer gegen Sanktionen gestimmt hat und warum.