Sanktionen gegen Iran: Mit der Geduld am Ende
Die UN-Sanktionen gegen den Iran sind wieder in Kraft. Am Sonntag ist der sogenannte Snap-Back-Mechanismus wirksam geworden.
Vor knapp zehn Jahren hatten der Iran, die USA und Russland sowie die sogenannten E3 – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – einen Atomdeal geschlossen. Damals war der Dealmaker noch Barack Obama und nicht Donald Trump. Vereinbart wurde in dem Nuklearabkommen JCPoA, dass Iran seine Urananreicherung auf einen Anreicherungsgrad von Uran-235 Isotopen von 3,67 Prozent nicht überschreitet. Im Gegenzug wurden alle UN-Sanktionen gegen das Land aufgehoben.
Iran sollte so der Weg zur Atombombe verbaut und die Rückkehr in die internationale Wirtschaftsgemeinschaft geebnet werden. Doch die Zweifel an Teherans Vertragstreue wuchsen. Vor allem als bekannt wurde, dass ein Anreicherungsgrad von 60 Prozent überschritten worden war.
Trump war schon 2018 einseitig aus dem JCPoA ausgestiegen. Einseitig hatte er „die härtesten Sanktionen aller Zeiten“ gegen das Mullahregime verhängt. Die E3 hingegen versuchten seither, Teheran zum Einhalten des Abkommens zu bringen und wirtschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Entzug des US-Marktes
Beides scheiterte. Trumps Sanktionen waren stärker als alle EU-Anstrengungen: Sie bestraften alle Unternehmen weltweit mit einem Entzug des US-Marktes und vor allem mit einer Verbannung von amerikanischen Finanzmärkten, wenn diese weiter Handel mit Iran betrieben. Teherans Führung ihrerseits beendete die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und verwies die Atomkontrolleure des Landes.

Das Misstrauen gegen Iran wuchs weiter und so stellten die E3 Teheran ein Ultimatum: Der im Atomabkommen vereinbarte „Snap-Back-Mechanismus“ trete innerhalb eines Monats in Kraft, wenn Iran bei der Urananreicherung und der Zusammenarbeit mit der IAEA nicht einlenke. Iran lenkte nicht ein, nun sind die UN-Sanktionen wieder eingesetzt.
Der „Snap-Back-Mechanismus“ ist Bestandteil des Atomabkommens. Beide Seiten können ihn nutzen, wenn sie der Meinung sind, dass die andere Seite ihre Verpflichtungen nicht einhält. Die Auslösung des „Snap Back“ bedeutet, dass die durch das JCPoA ausgesetzten UN-Sanktionen ohne ein mögliches Veto der iranfreundlichen Vetomächte im Weltsicherheitsrat, Russland und China, automatisch wieder in Kraft treten, wenn Teheran nicht binnen 30 Tagen wieder vollumfänglich mit der IAEA kooperiert und seine Atomanlagen unter Kontrolle dieser UNO-Behörde stellt. Das war bis Sonntagmorgen nicht der Fall.
Europäische Diplomaten werfen Teheran zwar einerseits vor, nicht einlenken zu wollen und so den Bau der Bombe heimlich voranzutreiben. Zugleich aber machen sie vor allem Trump den Vorwurf, in seiner ersten Amtszeit aus dem JCPoA ausgestiegen zu sein und so die Hardliner in Teheran angestachelt zu haben.
Völlig anderes Bild
Denn bis zum Ausstieg Trumps aus dem Abkommen hatte sich der Iran IAEA-Beobachter:innen zufolge an die Auflagen gehalten. Dafür sprach auch, was über die in den iranischen Atomanlagen installierten Kameras zu sehen war. Zugleich war der Handel mit Iran deutlich angestiegen.
Seit der Trump-Entscheidung 2018 änderte sich das Bild völlig: IAEA-Kameras wurden sukzessive abgebaut, es wurden deutlich höhere Uran-Anreicherungsgrade bekannt. Iran verfüge über 408 Kilogramm auf 60 Prozent angereichertes Uran, hatte die IAEA im Mai festgestellt.
Für zivile atomare Nutzung, etwa Atomstrom oder Röntgenstrahlung, wurde im JCPoA ein Anreicherungsgrad von Uran-235 Isotopen von 3,67 Prozent verankert. Natürliches Uran enthält etwa 0,7 Prozent Uran-235. Für Atombomben ist eine Anreicherung auf circa 90 Prozent nötig.
Trumps „Secondary Sanctions“, die er nach der Aufkündigung des Abkommens einführte, trafen die iranische Wirtschaft hart. Sogar große chinesische Banken haben sich aus dem Iran-Geschäft aus Angst vor US-Sanktionen zurückgezogen. Europäische Unternehmen, vor den Sanktionen groß im Irangeschäft, nahmen ihre Beziehungen dorthin nicht wieder auf.
Verpflichtungen missachtet
Iran konnte seither sein Öl nur deutlich unter Weltmarktpreisen verkaufen – zumeist nach China. De facto sind alle westlichen Banken und Versicherungen – bedeutsam im internationalen Öl- und Tankergeschäft – raus aus dem Iran-Handel.
Iran habe über Jahre hinweg seine Verpflichtungen missachtet, begründete Wadephul die Haltung der E3: „Es gibt keine plausible Begründung, Uran auf 60 Prozent anzureichern. Iran ist der einzige nichtatomar bewaffnete Staat der Welt, der so hoch angereichertes Uran besitzt.“ Mit dem Snap Back, so Wadephul, ende zwar ein Kapitel unserer diplomatischen Bemühungen. Doch der Iran habe die Möglichkeit, „ein neues Kapitel von Diplomatie aufzuschlagen“. Es sei an ihm, den Weg hin zu neuen Gesprächen zu beschreiten: „Wir sind dafür bereit.“ Es müsse sichergestellt werden, dass der Iran niemals in den Besitz von Atomwaffen gelange.
Teherans Außenministerium verurteilte am Sonntagmorgen das Vorgehen scharf und kündigte eine „entschlossene und angemessene“ Reaktion an. Zudem wurden alle Staaten aufgefordert, sich nicht an die nun wieder geltenden UN-Sanktionen zu halten. Diese umfassen ein Waffenembargo, Einschränkungen für den Banken- und Finanzsektor sowie Verbote für den Im- und Export zahlreicher Güter. Zudem werden Vermögenswerte von hochrangigen iranischen Persönlichkeiten eingefroren, gegen die auch ein Reiseverbot verhängt wird.
Auch dürfen wieder Frachtgüter bei iranischen Flug- und Schiffsgesellschaften überprüft werden. Damit soll verhindert werden, dass Teheran mögliche Programme zum Bau einer Atombombe und zur Entwicklung und Produktion ballistischer Raketen finanzieren und eingekaufte Teile nach Iran transportieren kann.
Hinter vorgehaltener Hand
In den vergangenen Monaten hatte es immer neue Verhandlungsrunden zwischen Vertretern Irans und der E3-Staaten gegeben. Von einer „Hinhaltetaktik“ seitens des Iran war dabei von europäischer Seite hinter vorgehaltener Hand die Rede.
Vor einem Monat riss der Geduldsfaden und die E3 gaben bei der UNO bekannt, dass weitere Verhandlungen ohne diplomatische Eskalation wie der Verhängung des sogenannten Snap-Back-Mechanismus nun „nicht mehr zielführend“ seien.
Den USA und Israel war der Geduldsfaden schon viel früher gerissen: Israels Luftwaffe hatte unter dem Codenamen „Operation Rising Lion“ Mitte Juni das schiitische Kernland am Persischen Golf angegriffen. Dabei wurden Radaranlagen, Militäreinrichtungen, Nuklearfabriken, Atomwissenschaftler und hochrangige Militärs und Revolutionsgarden getötet.
Iran hatte mit Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel reagiert. Unklar ist bis heute, wie verheerend die US-Schläge gegen die verbunkerten Atomanlagen waren. Iran behauptet, sie wurden getroffen, aber nicht vollständig zerstört.
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