: Sagen wir: Nein!
betr.: „Die neue Selektion“ (Ärztekammer will Gen-Check bei Embryonen aus dem Labor), taz vom 25. 2. 00
Nur weil es wieder einmal an exponierter Stelle im taz-Kommentar von Wolfgang Löhr erwähnt wurde: auch Sloterdijk nennt in seiner berühmt-berüchtigten Elmauer Rede keinesfalls „Regeln für den Menschenpark“, auch er führt nicht aus, wie ein von ihm angemahnter Kodex zur gentechnischen Veränderung der Keimbahn an Menschen aussehen könnte. Aber er behauptet allerdings eine Leerstelle der gesellschaftlichen und intellektuellen Diskussion zum Begriff des Humanismus anhand eines historischen Heidegger-Zitats: Die Gräuel der Nazi-Barbarei seien auch einer Totalisierung des Humanismus-Ideals anzulasten. Die von Heidegger seinerzeit geforderte „Enthaltsamkeit“ kritisiert Sloterdijk im Folgenden als ethisch fragwürdig oder gar unmöglich. Das hat Folgen.
„Menschenzähmung“ und „Menschenzüchtung“ als vorerst letzte Früchte eines sich verwirklichenden Humanismus? Eines totalitären! Sloterdijk warnt uns, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten, aber bitte! Wessen Kind baden wir denn da? Gerade weil das humanistische Ideal immer auch den Keim von anmaßender Besserwisserei in sich trägt, wie wir Heidegger zustimmen möchten, können wir einer seelenlosen Keimbahn-Klempnerei, in wessen Segens Namen auch immer, nicht zustimmen. Wehren wir totalitären Anmaßungen, aus welcher Richtung auch immer sie kommen und wie pragmatisch sie sich auch immer gebärden mögen.
„Regeln für den Menschenpark“, die davon ausgehen, dass es zwangsläufig Züchter und Gezüchtete gibt, können uns in der Frage nach Wegen zu einer Welt, in der die menschliche Würde innerhalb einer egalitären Menschengesellschaft im Vordergrund steht, nicht weiterhelfen. Dann schon eher eine an Utopie orientierte Enthaltsamkeit, welche berücksichtigt, dass wir mit den Träumen von einer friedvollen, opferlosen Menschheitsgeschichte behutsam umgehen müssen und sie nicht seelenlosen Anthropotechniken opfern dürfen.
[...] Es kann keinen eindeutigen Kodex über die Veränderung menschlicher Keimbahnen geben, denn wer sollte diesen erdenken? Ein Mediziner? Ein Philosoph? Ein Gott? Ach so, hören wir Sloterdijk antworten, das sei eben das menschliche Los, sich Aufgaben stellen zu müssen, die eigentlich eine Nummer zu groß für ihn sind. Na denn, viel Vergnügen! Wir können den genmanipulierten Menschen ohnehin nicht aufhalten? Nun, trösten wir uns damit, dass auch dies nur ein kurzes Kapitel in der endlosen Weite des Weltalls sein wird. Sagen wir trotzdem, dass es jeder hören kann: Nein!
Jost Guido Freese, Düsseldorf
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