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Sänger hat mit Klage ErfolgNaidoo laut Gericht kein Antisemit

Öffentlich hatte die Referentin einer Stiftung den Sänger Xavier Naidoo als Antisemiten bezeichnet. Dagegen zog der Sänger vor Gericht.

Darf nicht Antisemit genannt werden: Xavier Naidoo Foto: dpa

Regensburg dpa | Popsänger Xavier Naidoo hat sich erfolgreich gegen Antisemitismus-Vorwürfe gewehrt. Das Landgericht Regensburg untersagte es einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung, den Sänger als Antisemiten zu bezeichnen. Sie habe diesen Vorwurf nicht ausreichend belegen können, sagte Richterin Barbara Pöschl am Dienstag bei der Urteilsverlesung. Die Referentin hatte im vergangenen Jahr in Straubing vor Publikum gesagt: „Er ist Antisemit, das ist strukturell nachweisbar.“

Die Stiftung setzt sich gegen Rechtsextremismus ein. Weder Naidoo noch die Referentin waren bei der Urteilsverkündung anwesend. In der Verhandlung vor drei Wochen hatte sich Naidoo auf die Kunstfreiheit berufen und betont, dass er sich gegen Rassismus einsetze. Den Vorwurf antisemitischer Ressentiments wies er im Gerichtssaal zurück. Sein Sohn trage zudem einen hebräischen Namen. Die Beklagte hatte dargelegt, dass Naidoo in seinen Liedtexten auch antisemitische Codes und Chiffren verwende. Diese seien ihm nicht bekannt, hielt der Musiker dagegen.

Der Vorwurf, ein Antisemit zu sein, greife in Naidoos Persönlichkeitsrecht ein, zudem sei bei dem Sänger der Schutz der Kunstfreiheit zu berücksichtigen, erläuterte die Richterin. Die Beklagte könne sich auf das Recht auf Meinungsfreiheit berufen, jedoch wiege hier das Recht auf Schutz der Persönlichkeit schwerer.

Der Satz „Er ist Antisemit“ sage, dass Naidoo in ganzer Person ein Antisemit sei – über die zitierten Liedtexte hinaus. Das habe die Beklagte nicht ausreichend belegen können. Der Sänger dagegen habe sich glaubhaft von der Verwendung antisemitischer Ressentiments und Codewörter in seinen Texten distanziert.

Gericht beurteilte nicht die Texte des Sängers

Die Richterin betonte, dass das Gericht nicht beurteilt habe, ob die Texte von Naidoo antisemitisch sind oder nicht. „Man kann ihn nicht festlegen.“ Aber: Er habe die Texte anders verstanden haben wollen und seine Distanzierung sei glaubwürdig gewesen. Antisemit zu sein, sei in Deutschland ein „sehr grober Vorwurf“, die Beklagte habe diesen zu unterlassen. Gegen das Urteil ist eine Berufung möglich.

Naidoos Anwalt Frank Wolf kommentierte, das Urteil komme nicht unerwartet, weil die herabwürdigende Bezeichnung jeder Grundlage entbehre. „Die aus der Luft gegriffene Bezeichnung stellt nicht nur eine absolut unzutreffende Tatsachenbehauptung dar, sie ist in ihrer Abwegigkeit auch von der durchaus weit zu verstehenden Meinungsfreiheit nicht mehr erfasst.“

Die Referentin will nach Angaben der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin gegen das Urteil in Berufung gehen. „Die Entscheidung des Gerichts ist enttäuschend und greift in die Meinungsfreiheit ein. Das Urteil ist ein fatales Signal für die politische Bildung“, sagte sie. Die Stiftung hält die jetzt vom Landgericht Regensburg verbotene Äußerung für von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Vorwurf: rechtspopulistische Töne

Der Sänger aus Mannheim gilt wegen politischer Äußerungen als umstritten. Am Tag der Deutschen Einheit 2014 sprach er in Berlin bei einer Demonstration der sogenannten Reichsbürger, die die staatliche Ordnung in Deutschland ablehnen. Naidoo betonte später, dass er mit den „Reichsbürgern“ nichts zu tun habe.

Im Jahr 2015 bot ihn der NDR als einzigen deutschen Kandidaten für den Eurovision Song Contest 2016 in Schweden auf, zog seine Nominierung aber nach erheblichen Protesten zurück. Im vergangenen Jahr geriet Naidoo wegen seines Songs „Marionetten“ in die Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, in dem Lied mit abfälligen Bemerkungen über Politiker rechtspopulistische Töne anzuschlagen.

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6 Kommentare

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  • "Naidoo laut Gericht kein Antisemit" Diese Schlagzeile ist grob irreführend. Diese Stiftung hat behauptet Naidoo wäre ein Antisemit. Er zog daraufhin vor Gericht, wo der AA-Stiftung Gelegenheit gegeben wurde ihre Anschuldigungen mit Beweisen zu untermauern. Bis auf irgendwelche Andeutungen (Geheimcodes) kam da nichts. Also entschied das Gericht, des AA-Stiftung diese offensichtlich verleumderischen (und grob rufschädigenden) Behauptungen in Zukunft zu untersagen. Meiner Meinung nach kam die Stiftung hierbei noch viel zu gut weg. Für diese Verleumdung und grobe Rufschädigung hätte es eine saftige Strafe setzen müssen, damit so etwas in Zukunft unterbleibt.

  • Richtiges Urteil.



    Die Stiftungsreferentin sollte gut überlegen, ob sie mit einer unüberlegten Berufung weiter Steuergelder verheizen will. Die Gemeinnützigkeit der Kahane-Stiftung muss wohl neu diskutiert werden.

  • Schicke Stimme. Was er damit so anstellt, gefällt mir weniger aber das ist Geschmackssache.

    Gratulation jedenfalls zum Urteil und zum Mut, solche Hetzparolen von selbsternannten Political Correctness Blockwarten nicht durchgehen zu lassen.

    • @jhwh:

      Das erste Mal, als ich den hörte, war auf der Arbeit im Radio mit irgendeinem Gejaule von "Sie sieht mich einfach nicht" oder so. Das hörte sich an, als ob Herbert Grönemeyer einen Stück auf dem Klo aufgenommen hat, in dem er seinen Durchfall gerade beklagt. Grauenhaft.

      Ansonsten finde ich es eher viel mehr PC, wenn man wegen dem Begriff "Antisemit" unter die Decke geht, auch, wenn nur gemeint ist, dass Naidoo eben deutliche antisemitsche Tendenzen in seinen Liedern öffentlich macht.

      • @Age Krüger:

        Naja, Herbies Stimme würde ich mal unter "Rhythmusinstrumente" einordnen. Aber ja, auch das ist am Ende Geschmackssache.

        Keine Geschmackssache ist dagegen die Diffamierung Andersdenkender als Antisemiten. (Vor allem in D.)



        Lustigerweise gerade eine beliebte Methode der Neurechten. Insofern hat sich die AAS da schon richtig eingeordnet.

  • "Die Beklagte hatte dargelegt, dass Naidoo in seinen Liedtexten auch antisemitische Codes und Chiffren verwende. "

    vielleicht ist es wert einige beispiele zu drucken, liebe TAZ. damit wir alle sicher gehen das es auch wirklich so ist. oder auch nicht.