„Sächsische Zeitung“ und die AfD: „Da gehört er hin“
Die „Sächsische Zeitung“ kürt die „Menschen des Jahres 2017“, mit dabei: ein AfD-Politiker. Das sorgt für Irritationen.
![Mehrere Menschen vor Mikrofonen Mehrere Menschen vor Mikrofonen](https://taz.de/picture/2476338/14/0183.jpeg)
Sie nennen ihn „Den Eroberer“. Weil der AfD-Politiker Tino Chrupalla bei der Bundestagswahl das Direktmandat in Görlitz gegen den CDU-Kandidaten Michael Kretschmer gewann – beziehungsweise „eroberte“ –, kürte ihn die Sächsische Zeitung zu einem der “Menschen des Jahres 2017“. Kretschmer hatte 15 Jahre im Bundestag gesessen. Nachdem er sein Direktmandat im Herbst verloren hatte, zog er nicht wieder in den Bundestag ein. Jetzt ist er Ministerpräsident von Sachsen.
„Mitten im Sommer merkten die Straßenwahlkämpfer der neuen Partei, wie günstig die Stimmung in der Bevölkerung für sie war“, steht nun auf der Webseite der Sächsischen Zeitung über den AfD-Mann Chrupalla. „Das verlieh nochmals Schwung.“
Der AfD-Politiker hatte so viel Schwung, dass er im Wahlkampf nicht nur gegen Flüchtlinge wetterte, die keine Skrupel hätten, „uns auszunehmen wie eine Weihnachtsgans“. Auch gegen die Presse soll er gewettert haben. Wenn er in den Bundestag einziehe, zitiert ihn die Lausitzer Rundschau nach einer Veranstaltung im April 2017, werde er sich dafür einsetzen, dass die Zeitungsredaktionen „in die Schranken gewiesen werden“.
Gegenüber der taz sagte Chrupalla heute, diese Aussage sei so nicht gefallen. Die Redakteurin der Zeitung habe sie sich ausgedacht.
Einer von 15
Die Bildergalerie mit den 15 Menschen des Jahres 2017 erschien zuerst im Lokalteil der Printausgabe der Sächsischen Zeitung am vergangenen Freitag. Dort steht Chrupalla in einer Reihe mit dem Diakon der Region, mit dem Chef einer Jugendeinrichtung und Menschen, die sich in Sportvereinen engagieren. „Und genau da gehört er hin“, sagt Frank Treue, Regionalchef Görlitz/Zittau der Sächsischen Zeitung. „Wenn es nach mir ginge, stünde er sogar auf einem der ersten drei Plätze“.
Tino Chrupalla habe aus dem Stand ein Bundestagsmandat errungen und damit alle überrascht. „Natürlich ist er damit für diese Region einer der wichtigsten Menschen des Jahres“, so Treue.
Die Redaktion habe Chrupalla im Wahlkampf intensiv begleitet. Ihnen gegenüber habe er sich nie negativ über Medien geäußert. Über seine sonstigen Äußerungen oder über die Kritik an der AfD steht allerdings auch kein Wort in der Bildergalerie.
Muss auch nicht, sagt Treue. Die Leser der Lokalausgabe wüssten, wer Chrupalla ist und was er möchte. „Das ist eben das Schwierige an der Arbeit einer Lokalredaktion: Wir schreiben für die Leute von hier und nicht für die in Berlin, die unsere Texte im Internet lesen und den Kontext nicht verstehen.“
Früher Pegida, heute Bundestag
Tino Chrupalla ist erst seit zwei Jahren AfD-Mitglied, bei Pegida ist er regelmäßig mitgelaufen. Er hat den AfD-Kreisverband in Weißwasser in der Oberlausitz mit aufgebaut. In der Bundestagswahl gewann er mit 32,4 Prozent eines von drei Direktmandaten in Sachsen. Er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag. Wahlkampf machte er unter anderem mit der Forderung nach einer „Willkommenskultur für einheimische Kinder“ und nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen zur „Eindämmung der Grenzkriminialität“.
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