Sachsens Kultusministerin über „Pegida“: „Geblieben ist der grüne Pfeil“
Die neue KMK-Präsidentin Brunhild Kurth war lange Lehrerin in Sachsen. Das DDR-Erbe nennt sie als einen Grund für den Zulauf von „Pegida“ in Dresden.
taz: Frau Kurth, alle sind Charlie, Sie auch?
Brunhild Kurth: Wir alle sind erschüttert, über das, was in Paris passiert ist.
Auch die Pegida-Bewegung setzt auf die Betroffenheit und marschierte am Montag mit Trauerflor. Wie finden Sie das?
Gelinde gesagt, irritiert mich das sehr. Aber es führt uns nicht weiter, wenn wir mit Beschimpfungen und Ausgrenzung reagieren. Die Menschen, die in Sachsen auf die Straße gehen, haben vielfältige Gründe. Deshalb ist der Dialog so wichtig – sich also nicht abzuschotten, sondern genau zuzuhören, womit die Menschen ein Problem haben. Es geht ja nicht nur gegen Ausländer, die zu uns kommen, sondern auch gegen die da oben, gegen die Politik und Medien.
Justizminister Heiko Maas hatte die Organisatoren aufgefordert, den Spaziergang abzusagen. Auch Innenminister Thomas de Maizière fand diese Instrumentalisierung schäbig. Sie nicht?
Wenn Verbote ausgesprochen werden, ändern wir nichts an dem Zustand. Wir müssen aufeinander zugehen und in vernünftiger Atmosphäre miteinander sprechen.
Weshalb ist Pegida ausgerechnet in Sachsen so erfolgreich?
Es wird viel von außen nach Sachsen geschaut, und es werden viele Vergleiche angestellt, dass gerade in Dresden so viele Menschen auf die Straße gehen. Von diesen Vergleichen halte ich nichts. Wir sollten nicht darüber philosophieren, warum Pegida in Sachsen so viel Zulauf bekommt, sondern warum die Menschen auf die Straße gehen.
60, ist Bio- und Chemielehrerin. 2012 wurde die CDU-Politikerin zur Landeskultusministerin Sachsens ernannt. 2015 führt sie für ein Jahr die Konferenz der Kultusminister (KMK).
Warum also?
Das Ursachengefüge ist komplex. Es sind viele verschiedene Probleme, die zur Sprache kommen. Einige lassen Unverständnis über unser politisches und gesellschaftliches System erkennen. Ich war in der DDR 13 Jahre Lehrerin und war bis 2001 in der Schulstube aktiv. In dieser Zeit haben die Menschen in Sachsen sehr starke Veränderungsprozesse durchlebt. Geblieben ist eigentlich nur der grüne Pfeil an den Ampeln. Diese Umbruchsituation hat es in den alten Bundesländern so nicht gegeben.
Es braucht viel Zeit, die demokratischen Verhältnisse zu verstehen und zu verinnerlichen. Die Erfahrung mit der Demokratie ist noch ein junges Pflänzchen. Da haben wir vielleicht noch Hausaufgaben zu machen, damit ein starker Baum draus wird.
Was haben Sachsens Schulen im Bereich der politischen Bildung bisher versäumt?
Hausaufgaben sind für mich Ergänzung. Ich spreche hier nicht von Versäumnissen. Wichtig ist der jungen Generation, das junge Pflänzchen Demokratie immer wieder nahe zu bringen, damit sie es verinnerlicht. Wenn etwas oktroyiert wird, nimmt das vor allem eine junge Generation so nicht ab.
War es ein Fehler, dass Sachsen 2007 als einziges Bundesland das Fach Geschichte in der 10. Klasse der Mittelschule zu einem Wahlfach gemacht hat?
Politische Bildung ist in keiner Weise nur an einem Unterrichtsfach festzumachen. Jedes Unterrichtsfach ist geeignet, politische Bildung zu vermitteln. Im Übrigen ist der Anteil der gesellschaftswissenschaftlichen Unterrichtsfächer in Sachsen nicht geringer als anderswo. Und auch ist es ein Trugschluss zu glauben, dass Schule allein gesellschaftliche Probleme lösen kann.
Die 2008 auf dem Bildungsgipfel gesteckten Ziele werden offenbar nicht alle erreicht. Etwa den Anteil der Schulabbrecher zu halbieren. Welche Hausaufgaben hat die KMK ?
Das Ziel, die Zahl der Absolventen ohne Abschluss zu verringern, bleibt richtig. Wir müssen hier in der KMK miteinander sprechen, welche Wege die Bundesländer gehen. Da können wir voneinander lernen.
Ein Schwerpunkt Ihrer Amtszeit soll mehr Vergleichbarkeit und Gerechtigkeit sein. Wie wollen Sie das erreichen?
Wir müssen uns darüber verständigen, wie wir mit dem gemeinsamen Aufgabenpool für die Abiturprüfung umgehen. Das wird ein wichtiges Thema sein. Und im Sommer soll die Mustersammlung für die gemeinsamen Abituraufgaben publiziert werden. Aus diesem Pool sollen sich einmal die Länder bedienen. Auch das Thema Inklusion bleibt auf der Tagesordnung, wir werden darüber sprechen, ob es einheitliche Kriterien geben kann, um Förderbedarf bei Schülern zu diagnostizieren.
Und was tut die KMK, um mehr Gerechtigkeit herzustellen?
Wenn wir in punkto Vergleichbarkeit ein paar Millimeter vorankommen – Sie sehen, ich denke in sehr kleinen Schritten – schaffen wir auch mehr Gerechtigkeit.
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