■ Sachsen-Anhalts SPD-Kurs und die Bundestagswahlen: Höppner stellt Schröder vor die Wahl
Verliert die SPD die Bundestagswahlen, weil Sachsen-Anhalts Ministerpräsident ein so ehrenwerter Mann ist? Reinhard Höppner ist keiner, der sich verbiegen läßt, der politische Inhalte vor machtpolitisches Kalkül setzt. Er fährt lieber mit Hilfe der PDS einen eigenständigen Kurs für sein Bundesland. Aus purem Opportunismus mag er mit dem Wahlverlierer CDU nicht zusammengehen. Inhaltlich kann man Höppners Entscheidung nur begrüßen, gegen den Willen der Bonner SPD-Spitze eine Minderheitsregierung zu bilden. Doch was interessiert Sachsen-Anhalt, wenn der Machtwechsel in Bonn ansteht?
Es geht um mehr als um eine neue Rote-Socken- Kampagne der Bundes-CDU oder um ein erfolgreiches Lehrstellenprogramm für Sachsen-Anhalt. Es geht um die Gretchenfrage: Moral oder Geschäft? Geht es ums Geschäft, dann läßt sich festhalten, daß Höppners PDS-Kurs den Bundestagswahlkampf des Kanzlerkandidaten konterkarriert. Ein Bündnis mit den angeblichen Kommunisten im Osten wird die SPD im Westen nicht wählbarer machen. Aus Bonner Sicht muß Höppners Handeln reichlich überflüssig erscheinen: Er bräuchte schließlich bei einer Koalition keine Treueschwüre leisten. Nach der Wahl im Herbst stünde es ihm frei, das ungeliebte Bündnis mit der CDU platzen zu lassen. Politische Inhalte? Gemeinsamer Kampf gegen die Rechtsextremen? Überflüssiges Geschwätz! Es geht um die Macht am Rhein.
Geht es um die Moral, dann zeigen die Sozialdemokraten mit einer von der PDS tolerierten Minderheitsregierung, daß sie das Wählervotum ernst nehmen. Daß sie sich – anders als ihre CDU-Kollegen – nicht aus Bonn fernsteuern lassen, sondern im Gegenteil agieren, wie es ihrer Überzeugung entspricht. Das aber hieße, politische Grundsatztreue und sozialdemokratische Integrität nicht nur auf das kleine Sachsen-Anhalt zu beschränken. Man müßte schon bundesweit damit werben. Seht her, wir wollen nicht einfach nur die Macht, wir stehen zu unseren Grundsätzen, und sei es, daß sie uns die Macht kosten. Mit der Moral kommt aber das Problem. Will die SPD eine Große Koalition in Bonn definitiv ausschließen? Wohl kaum. Und welche Grundsätze verfolgt Gerhard Schröder? Schwer zu beantworten. Die SPD täte sich leichter, wenn Reinhard Höppner in Sachsen- Anhalt ein bißchen weniger ehrenwert wäre.
Sollte die Zähmung des widerspenstigen Höppner nicht gelingt, dann wird Schröder nichts anderes übrigbleiben, als sich von dessen Aufrichtigkeit eine Scheibe abzuschneiden. Klaus Hillenbrand
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