Sachbuch über Corona in Gemälden: Mit der Pandemiebrille im Museum
Mit einem Tweet fing es an, dann wurde ein Buch daraus: In „Im Museum gewesen. Überall Corona gesehen“ werden berühmte Gemälde neu interpretiert.
![Gemälde auf dem ein nackter Mann von einer Frau im Arm gehalten wird. Aus seinem Oberkörper ragt ein Pfeil. Gemälde auf dem ein nackter Mann von einer Frau im Arm gehalten wird. Aus seinem Oberkörper ragt ein Pfeil.](https://taz.de/picture/5108829/14/207306282-8906435ea9-2-1.jpeg)
Die Lanze, die der heilige Georg dem Drachen ins Maul rammt, sieht doch irgendwie aus wie ein ziemlich langes Teststäbchen. Moment mal, vielleicht tötet er den Drachen gar nicht, sondern möchte nur wissen, ob der Corona hat? Manchmal reicht schon ein kleiner, zugegeben etwas schräger Gedanke, und plötzlich sieht man die halbe Kunstgeschichte in einem anderen Licht. Fortan blättert man durch Kataloge, läuft durch Museen und Ausstellungen und kann sich kaum dagegen wehren, in jahrhundertealten Bildern nur noch die Gegenwart zu sehen, genauer: jenes Thema, das seit so vielen Monaten die Nachrichten, die Gespräche mit Freunden, den gesamten Alltag dominiert. Na toll, jetzt auch noch die Kunst.
So wird aus Bruegels „Der Wein zum Fest des heiligen Sankt Martin“ plötzlich ein Schreckensbild über die Wiedereröffnung der Gastronomie, und der heilige Hieronymus sitzt nicht in einer dunklen Höhle, sondern offenbar seit geraumer Zeit im Homeoffice. Die unbekannte Marktfrau, die kiloweise Gemüse, Obst und Fleisch vor sich aufgetürmt hat? Klar, die kommt gerade vom Hamsterkauf. Und sogar den betenden Händen von Dürer sieht man plötzlich an, dass sie vom vielen Desinfizieren schon etwas trocken sind.
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Wolfgang Luef: „Im Museum gewesen. Überall Corona gesehen“ Yes Publishing. München 2021, 64 Seiten, 9.90 Euro
Das Schöne: Jedes Gemälde kann einen nun – egal wie gut man es kennt, egal wie oft man es schon gesehen hat – noch einmal überraschen und sogar zum Lachen bringen: Es ist kein Lachen über das Leid, das diese Pandemie verursacht hat, sondern eines über uns selbst, über die kleinen Widrigkeiten und großen Ärgerlichkeiten im Alltag mit Corona. Und so kann dieser neue Blick auf die Kunst in einer Zeit, in der es leider oft wenig zu lachen gibt, nicht nur erleichternd sein, sondern auch befreiend. Aber sehen Sie selbst.
Anmerkung der Redaktion: Alle Bildbeschreibungen stammen aus dem Buch des Autors.
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