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SUHRKAMP WILL DAS NEUE WALSER-BUCH ZU RECHT VERÖFFENTLICHENKein Skandal

Zuerst die gute Nachricht. Der Suhrkamp Verlag wird Martin Walsers „Tod eines Kritikers“ drucken. Das ist klug, denn so wird Walser nicht zusätzlich mit dem Prädikat des Zensierten geadelt. Der Autor versteht es – spätestens seit seiner Paulskirchen-Rede –, sich als Robin Hood des Kultur- und Erinnerungsbetriebes zu inszenieren. Nicht bei Suhrkamp erscheinen zu dürfen, wäre für „Tod eines Kritikers“, eine matte Satire auf den Literaturbetrieb, entschieden zu viel der Ehre gewesen.

Die schlechte Nachricht lautet, dass „Tod eines Kritikers“ nun viel gekauft und gelesen wird, mehr, als es das Buch verdient hat. Aber so funktioniert unsere Öffentlichkeit, so funktionieren wir: nach Reiz-Reaktions-Schemen. Und die Stichworte, die das Publikum noch immer verlässlich empören, heißen: Nazizeit, Antisemitismus.

Der Skandal hat bei kultivierten, differenzierten Zeitgenossen (also bei uns) keinen guten Ruf. Zu Unrecht. Denn in einem ordentlichen Skandal verdichtet sich plötzlich ein Thema, das zuvor unbemerkt in der Luft lag. Das war 1986 im „Historikerstreit“ so, später bei Daniel Goldhagen, der Wehrmachtsausstellung, sogar bei der „Walser-Bubis-Debatte“. Der gelungene Skandal ist eine Art verdichteter Lernprozess, in dem sich die Gesellschaft ihrer moralischen Grundlagen versichert. So endete etwa der Historikerstreit mit der erneuerten Erkenntnis, dass der Antifaschismus zur bundesdeutschen Staatsräson zählt. Sogar die „Walser-Bubis-Debatte“ löste immerhin eine Reflexion über das Unbehagen in der Gedenkkultur aus, auch wenn Walser dieses nicht entdeckt, sondern nur für seine Zwecke instrumentalisiert hatte.

Und nun? Nichts davon in der Affäre um „Tod eines Kritikers“. Martin Walser hat eine unsympathische, persönliche Abrechung mit dem Betrieb geschrieben. Darin beschimpfen Romanfiguren einen jüdischen Großkritiker in zwei, drei Sätzen mit antisemitischen Klischees. Das ist geschmacklos, aber es taugt nicht zum Skandal, schon gar nicht zur aufklärerischen gesellschaftlichen Selbstbefragung. Dafür ist die Affäre um „Tod eines Kritikers“ zu eitel, zu eng, zu aufgeblasen. STEFAN REINECKE

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