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STREIT UM NEUBAU AM ZIEGENMARKT"Unerträglich", aber rechtens

Eine Bürgerinitiative ist entsetzt über einen geplanten Neubau am Ziegenmarkt im Steintor - doch die Bauarbeiten sind schon in vollem Gange

Der Bauzaun steht, der Kran ebenso. Aber auch der Protest. Bild: Christian Jakob

Die Baugenehmigung liegt längst vor. Der Abriss läuft bereits seit dem ersten März. Auch vom Stadtteilbeirat kam keine Ablehnung. Und doch: Eine Bürgerinitiative will den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses am Ziegenmarkt im Steintorviertel noch stoppen. Sie fordern vom Bauherren Holger Micheli einen Runden Tisch mit den AnwohnerInnen und einen Architektenwettbewerb.

Wo bislang der Rewe-Markt zentraler Anlaufpunkt war, stehen nun ein Kran und bald ein Schutthaufen. Am 31. August dieses Jahres soll der Supermarkt wieder eröffnet werden, darüber jedoch nicht wie bisher die graue Wand des Hintergebäudes prangen, sondern ein mehrstöckiger Neubau mit 26 Wohnungen, in der obersten Etage mit Geschäftsräumen. Auf dem Baustellenzaun kündigen die ersten Plakate und Sprühereien vom Widerstand gegen das Vorhaben im Viertel.

"Es ist nicht pfiffig, den Ziegenmarkt ohne Bürgerbeteiligung zu planen", sagt Michael Quast, der zusammen mit bislang etwa 20 anderen ViertelbewohnerInnen die Bürgerinitiative "Ziegenmarkt 21" gegründet hat. Nicht nur den Namen teilt die Initiative mit dem Protest in Stuttgart, auch der Zeitpunkt ist ähnlich spät gewählt. Öffentlich berichtet wurde von der Bauplanung im Herbst, in einer Stellungnahme nahm auch der Beirat der Östlichen Vorstadt dies zur Kenntnis, lehnte den Bau aber nicht ab.

Grundsätzlich könne der Beirat seine Wünsche äußern, so Fritz Arndt, der beim Ortsamt Mitte für Bau und Verkehr im Stadtteil zuständig ist. Wenn alles rechtens sei, müsse die zuständige Baubehörde jedoch die Genehmigung erteilen. "Es ist ein positives Signal, dass der Supermarkt erhalten bleibt und im Viertel investiert wird." Auch Wolfgang Weiß, selbst Architekt und nun in der Bürgerinitiative aktiv, begrüßt grundsätzlich, dass die Baulücke geschlossen wird - nicht jedoch wie es nun geplant ist: "Das Gebäude ist unerträglich." Es müsse das Umfeld des Ziegenmarktes in die Planung miteinbezogen werden. Jan Saffe, Mitarbeiter im Bauernladen und der Bürgerinitiative, kritisiert, dass nicht verstärkt auf erneuerbare Energien beim Bau geachtet worden sei. Zudem seien die Wohnungen nur von Reichen zu bezahlen.

Peter Rüdel (Grüne), Sprecher des Beirates der Östlichen Vorstadt, begrüßt den öffentlichen Widerstand, damit das Bauvorhaben politisch noch einmal auf den Tisch komme: "Ich habe die Entwürfe gesehen und finde sie scheußlich." Der Beirat hätte rechtlich wenig machen können, auch weil es von Seiten der Bevölkerung bislang wenig Interesse gab. Auf die Forderungen eines Architektenwettbewerbs sei der Bauherr Micheli nicht eingegangen, er habe sich auf seine rechtlichen Ansprüche zurückgezogen. Lediglich ein paar Nachbesserungen seien erreicht worden. Vor allem der Senatsbaudirektor Franz-Josef Höing habe sich mehrfach mit dem Bauherren getroffen und ihn zu Änderungen bewegen können, beispielsweise einer stärkeren Öffnung des Gebäudes zum Ziegenmarkt durch eine Fensterfront.

Für Michael Quast von der Bürgerinitiative ist dies ein Hinweis, dass ein Einfluss auf die Gebäudeplanung möglich ist. Ohne AnwohnerInnenbeteiligung vergrößere sich der Interessenkonflikt mit dem benachbarten Bistro oder dem anliegenden Kindergarten in der Gleimstraße, vor allem wegen des entstehenden Schattens und der Lautstärke. Das benachbarte Jugendzentrum in der Friesenstraße ist deshalb auch an der Initiative beteiligt. "Wir sind sehr erstaunt, wenn dauernd von Beteiligung geredet wird und an solch einem zentralen Ort das gegenüberliegende Jugendzentrum nicht mit ins Boot geholt wird", sagt deren Geschäftsführer Holger Lauster. Beim Vermieter der "Friese", der Immobilien Bremen, war man am Montag bei einer Begehung von der Baustelle überrascht und habe sich an die Bauordnung gewandt - um prüfen zu lassen, ob der Abriss des alten Gebäudes überhaupt rechtmäßig verläuft.

Die Bürgerinitiative sammelt derzeit Unterschriften und plant am 15. März eine Infoveranstaltung im Alten Fundamt. "Trotz der formalen Situation gehen wir davon aus, noch ein Schlichtungsgespräch hinzubekommen", so Wolfgang Weiß. Das Architekturbüro Holger Micheli nahm zu den Vorwürfen bis Redaktionsschluss nicht öffentlich Stellung.

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2 Kommentare

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  • WT
    walter trööf

    Das Teil sitzt voller ASBEST + wird ohne jede Schutzmassnahme abgerissen...supah

  • PL
    Peter Lustig

    Der typische "Viertel"-Bewohner: Wenn nichts im "Viertel" passiert, ist man traurig, denn wofür sonst tut man sich die überteuerten Mieten im "Szene"-Stadtteil freiwillig an? Und wenn etwas passiert, wird gemeckert. Das war schon immer so und wird vermutlich auch so bleiben.

     

    Zur Sache: Da denken sich offensichtlich einige Alt-68er und Hobbysoziologen, man könne auch hier in der Provinzmetropole Bremen mal ein Fass aufmachen. Ganz so wie in Stuttgart in der Debatte um den Umbau des Bahnhofes. "Ziegenmarkt 21" nennen sich also die Hiesigen, was allein schon im Kontext mit dem Namen "Stuttgart 21" den Unterschied erkennen lässt.

     

    In Stuttgart wird eine komplette Stadt durch den Umbau des im Zentrum gelegenen Knotenpunktes beeinflusst. Allein der rationale Pendler muss da schon zum Gegner werden.

     

    Aber um was geht es hier? Um den Umbau eines ehemaligen Supermarktes sowie zugehöriger Wohnungen. Dass Bauarbeiten, Lärm und auch Schmutz nicht schön sind, das ist klar. Verständlich auch, dass das niemand über eine längere Zeit etragen möchte - und Anrainer müssen dies ertragen, weil sie dort wohnen.

     

    Aber jene "Gegner" werden nicht um die Erkenntnis herum kommen, dass Bauarbeiten, Renovierungen, Instandhaltungen etc. nun einmal notwendige Übel sind. Und wer noch den alten Rewe und das Gebäude in Erinnerung hat, der muss sich im Klaren sein, dass derartiges einfach kein Zustand sein kann.