STOIBER OHNE PROFIL: CDU, CSU UND FDP STREITEN ÜBER FINANZPOLITIK: Der Kandidat als Steuer-„Krischperl“
Die Ökosteuer abschaffen – ja, aber nicht sofort und doch nicht ganz. Die Steuerreform vorziehen – ja, aber in kleinen Schritten oder vielleicht doch gar nicht. Die Neuverschuldung ausweiten – auf gar keinen Fall, aber vielleicht doch. Die widersprüchliche Haltung der Opposition in der Steuerpolitik im Falle eines Wahlsieges offenbart nicht nur die Konzeptlosigkeit im konservativen und liberalen Lager. Sie zeigt auch, dass Edmund Stoiber sich und seiner CSU mit seiner Kanzlerkandidatur keinen Gefallen getan hat. Endgültig vorbei sind die Zeiten, als der bayerische Ministerpräsident aus den Bergen seine markigen Mahnungen ins flache Land posaunte. Jetzt muss der begnadete Polemiker Machbares präsentieren, um sich fürs Kanzleramt zu empfehlen. Dabei verliert er.
Einerseits braucht er die Wähler in der politischen Mitte, um an die Macht zu kommen. Deren Bedenken gegen den berüchtigten Scharfmacher Stoiber sucht er mit gemäßigten Äußerungen zu zerstreuen. Aber warum sollte jemand einen wählen wollen, der sich im beginnenden Wahlkampf bisher allenfalls als blonde Light-Version des Kanzlers präsentiert hat? Einen, der offen zugibt, dass er nur wenig ändern will, weil er nur wenig ändern kann? Noch dazu – und dieses ethnische Ressentiment ist nicht zu unterschätzen – einen Bayern?
Andererseits stößt Stoiber mit allzu nachdenklichen Einlassungen seine Stammklientel vor den Kopf. Denn dem traditionellen CSU-Wähler gilt Kompromissbereitschaft als Schwäche. Ein Überdenken der eigenen, einmal geäußerten Meinung bedeutet Gesichtsverlust.
Den Tee in Stoibers Maßkrug konnten die Stammtischsitzer noch verzeihen. Einem windelweich Gewordenen, einem „Krischperl“ von politisch dürrer Gestalt werden sie kaum folgen wollen. Bei Sabine Christiansen präsentierte sich am vergangenen Sonntag ein stammelnder Edmund Stoiber – er hat sich in seiner neuen Rolle noch nicht zurechtgefunden. Der aktuelle Streit in der Union um die Steuerpolitik deckt auf, dass Stoiber zudem seine politische Position abhanden kommt.
STEFAN KUZMANY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen