STADTENTWICKLUNG: Yuppie-Wohnungen unbeliebt
Am Ziegenmarkt hat der Supermarkt wieder aufgemacht - im weißen Neubau. Autonome werden aktiv, weil das Gebäude zur Aufwertung des Viertels beitrage.
Gegen „Yuppies“, „Mietenterror“ und die „ökoliberale Mittelschicht“ wurden überall im Viertel in dieser Woche Plakate verklebt. Anlass ist die Wiedereröffnung des Rewe-Supermarktes am Ziegenmarkt am Donnerstag. Für linke Autonome ist der weiße Neubau, in dessen oberen vier Etagen Mietwohnungen und Gewerbeflächen entstanden sind, Symbol für die „Gentrifizierung“, die schleichende Aufwertung des Viertels, mit der höhere Mieten und ein Austausch der Bewohner einhergehen.
Aufgewertet wurde im Rewe zumindest die Ladeneinrichtung. Die Düddelüt-Musik und die Werbe-Durchsagen allerdings sind so wie immer. Draußen, neben dem Aktionsstand mit Glücksrad und Popkorn-Maschine, wacht ein Security-Angestellter. Am Tag der Eröffnung waren es noch zehn Mann, dazu mehrere Streifenwagen.
Denn „Scherben bringen Glück“ stand auf manchen der Plakate, entsprechend groß waren die Befürchtungen. „Die Stadt“, so ist weiterhin zu lesen, sei „das Spiegelbild der herrschenden Ordnung“. Die „gewollte Aufwertung“ von Stadtteilen führe zu „Mietenterror, Vertreibung und Reichenghettos“. In anderen Städten werden deshalb regelmäßig Autos angezündet. Im Viertel blieb es bislang ruhig.
Der grüne Viertel-Bürgermeister Robert Bücking hält die Plakat-Botschaften für „wirres Zeug“. An dem Bau findet er nichts Skandalöses. „Es gibt Bedarf für einen Supermarkt und der sorgt auch dafür, dass die umliegenden Cafés ihre Kunden bekommen.“ Gentrifizierung laufe im Viertel anders ab als etwa am Prenzlauer Berg oder bestimmten Vierteln Hamburgs. „Wir haben hier viele Einzelwohnungen, niemand kann drei, vier Straßenzüge kaufen und ändern.“
Eben das war aber in der Schildstraße und Luisenstraße passiert, den BewohnerInnen stand Bücking wegen der 20-prozentigen Mieterhöhungen zur Seite. „Unbestritten“ stiegen die Preise bei Neuvermietungen, so Bücking. Die Position aber, dass die Gegend verkommen müsse, damit die autonome Studenten-WG weniger Miete zahle, findet er „zynisch“.
„Drei Nächte waren die Plakatierer unterwegs“, sagt der Inhaber eines Buch- und CD-Ladens im Steintor, „und nicht mal vor den schönen Grafittis haben sie halt gemacht.“ Auch die Säule vor seinen Schaufenstern wurden beklebt. Dabei wohnten in dem Haus nur Studenten, „das sind doch nicht Millionäre“.
Zumindest die Wohnungen im Rewe-Neubau werden nicht billig. Der Mietpreis liegt bei etwa 10 Euro pro Quadratmeter. Noch sind Wohnungen frei.
Auf dem Ziegenmarkt vor dem Jugendfreizeitheim „Friese“ fand am Donnerstag aus Protest ein spontanes Rock-Konzert statt. Denn noch wartet man in der „Friese“ auf einen Schallschutz. Projektleiter Markus Mennerich hatte eigentlich zugesagt, den in dem Jugendfreizeitheim zu installieren. Nachdem aus der „Friese“ jedoch weiterhin lauter Protest kam, hätte er es sich anders überlegt: „Ich glaube nicht, dass man mit diesen Leuten klare Absprachen machen kann“, so Mennerich. Stattdessen habe er nun lieber im eigenen Neubau die Fenster stärker isoliert.
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