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SPEICHEN Gitti La Mar fotografiert den Sport, den sie liebt – Bike Polo. Sie springt auf ihr Rennrad, stürzt, steht auf und spielt weiter. Ihre Bilder zeigen die Szene: Prellungen, Schweiß, Tattoos, alle Hautfarben und GeschlechterAnarchie und Asphalt

von Annabelle Seubert

Manchmal spielen sie nackt. Einfach, weil es dazugehört. Die Freiheit spiegelt, um die es geht in jenem Sport, in dem die Schläger, wie die Pflaster, mit Stolz getragen werden. Diesem Sport, der brutal ist und schnell und zumindest so politisch, dass dabei nicht „Frauen gegen Männer“ gilt, „sondern Frauen und Männer zusammen“, wie Wibke Reckzeh sagt – und die weiß es: Sie spielt. Bike Polo. Das wie Polo zu Pferd funktioniert, nur auf dem Rad. Und statt auf dem Rasen auf Asphalt.

Man rollt über den Platz, passt und schlägt den Ball ins Netz, bis fünf Tore gefallen oder zehn Minuten vergangen sind. Im Idealfall sind drei in einem Team: Einer ist Angreifer, einer Verteidiger, der dritte im Tor. Und dann prallt man auf und holt sich Schürfwunden. Stellt sich wieder hin, springt aufs Bike.

Ein Freund hatte 2010 die Weltmeisterschaft in Berlin organisiert, nach der Wibke Reckzeh „ey, ich muss damit anfangen“ dachte. Sie hat sich ein Rennrad gekauft, rot, mit Glitzerpunkten. Und von Anfang an fotografiert, was sie sah – „ich musste, hatte keine Wahl“: Flutlicht, Speichen, Knieschützer. Frauen, die im Badeanzug fahren. Oder den Spielstand am Rand, digital angezeigt – 0:0, 4:3 – die cleanen Ziffern ein einziger Kontrast zur Anarchie auf dem Feld.

Einer Anarchie mit Verbänden und Tattoos, 180-Grad-Drehungen auf dem Vorderrad, Graffiti, Akrobatik, mit „allen Geschlechtern und allen Hautfarben“. Im Prinzip, sagt Reckzeh, sei Bike Polo ihre „Idee von Gesellschaft“. Sie liebt, wie befreit sie sich beim Spielen fühlt und dass sie nach ihrem ersten Versuch – „in einem Parkhaus bei minus zehn Grad“ – die Leidenschaft verstand, mit der sich Pianisten stundenlang ihrem Klavier widmen können. So was konnte sie jetzt auch.

Wibke, die Bike-Artistin im einen und taz-Grafikerin im anderen Leben ist. Sich irgendwann einen Namen gesucht hat, den man überall versteht: Gitti La Mar nennt sie sich, wie ein Mädchen vom Meer – das in Wahrheit aus Potsdam kommt. So oft es geht, reist sie zu den Meisterschaften, landet in San Francisco, Toronto, Mexiko, meistens bei Bike-Polo-Leuten auf der Couch, „man hilft sich und teilt“. Wer kein Rad mitbringt, bekommt eins geborgt.

Das Mädchen La Mar: zerschmettert sich das Bein, cruist weiter mit der Kamera. Fotografiert andere Mädchen, in Tanktops und Turnschuhen. Eines, das sich Tiefkühlerbsen auf die geschwollene Schulter legt. Dann das Gebrauchsmittel, in seine Einzelteile zerlegt, Pedale, Lenker, Sattel. Und immer wieder Blut und Haut. Stürze, Menschen im Fall.

Zu Hause sortiert sie ihre Bilder und belegt einen Fotokurs an der Ostkreuz-Schule in Berlin. Am Ende entsteht ein Buch. „Bike polo ruined my life“ steht vorne drauf. Und hinten: „Bike polo saved my life“.

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