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SPD will im Freimarkt-Streit für Schausteller entscheiden

■ Kröning: „Kompetenz-Wirrwarr“ auf der Bürgerweide / SPD: Ära Grunert („Bremen bei Nacht“) zu Ende

„Schmarotzer“, „Mafia-Methoden“ - ein heißer Streit tobt hinter den Kulissen des Freimarkt-Vergnügens. Gestern vormittag versuchte der Sprecher der Innendeputation, Walter Liebetrau (SPD), die Schausteller mit der Versicherung zu besänftigen: „Am Sonntag läuft die Ära Grunert in der Stadthalle aus.“

Den großen Ärger hatte es gegeben, weil der Gastronomie-Unternehmer Achim Grunert (Waldbühne, Astoria) mit der „Bremen-bei-Nacht“-Veranstaltung parallel zum Freimarkt den Schaustellern Konkurrenz macht, ohne sich selbst der Freimarkt-Ordnung anzuschließen (vgl. taz 24.10.). Nicht nur, daß Grunert sich nicht finanziell an der gemeinsamen Werbung der Freimarkt-Schausteller beteiligt. Zudem „zieht“ er ab 23 Uhr das Publikum ab - die Freimarkt-Angebote müssen dann schließen, während die Halle 5 bis weit in die Nacht öffnen darf.

Nicht nur die Schausteller, auch der Gaststättenverband bezog gestern klar Stellung: Die Leute zögen spätabends nicht mehr in die Innenstadt-Kneipen, weil die Halle 5 betrieben würde. Und auch da seien nur wenige bremische Kneipiers mit einem Stand zum Zuge gekommen: „Herr Grunert wildert bis weit ins niedersächsische Umland“, beklagte Freddy Schmidt, Vize-Präsident der Gaststättenverbandes.

Der Wirtschaftssenator war durch einen Beamten vertreten. Nicht nur Politiker, auch Beamte müßten „etwas mehr als mutig“ sein, wenn sie zu den aufgebrachrten Schaustellern gingen, rechtfertigte sich Klaus-Wilhelm Timm. Etwas umständlich versuchte er zu erklären, daß die Stadt im Zuge der Wirtschaftsförderung „den Standort Bürgerweide ernsthaft in Angriff nehmen“ müsse. Das heißt: Die Hallen der Stadthalle sollen auch während des Freimarktes nicht leerstehen.

„Das ist genau das, was wir nicht wollen“, konterte Schausteller-Vertreter Strohmann. Denn lockt die Stadthalle den Freimarkt-Schaustellern das Publikum weg. Timm mußte versprechen, daß die Schausteller wenigstens fürs nächste Jahr „maßgeblich daran beteiligt werden, was in den Hallen passiert“.

Für die SPD-PolitikerInnen, die zu dem traditionellen Schausteller-Gespräch geladen hatten, ist die FDP Schuld an der schlechten Stimmung. Grunert, der diesmal mit dem Segen des Wirtschaftsressorts neben der Halle 5 auch noch die Halle 4 bekommen hatte, sei „sowieso ein Pleitegeier“, meinte Annelise Leinemann. „Ich kenne Handwerker, die bis heute ihr Geld von ihm nicht bekommn haben“, spielte sie auf die Astoria-Pleite an. „Trotzdem hat er sich in der Stadthalle weiter ausdehnen können.“ Grunert schade dem bremischen Gaststättengewerbe.

Schausteller-Vertreter Fehrensen war am Ende fast zufrieden: „Wir haben gehört, am Sonntag hat sich das Thema Grunert erledigt“, meinte er. Im kommenden Jahr könne man sich sogar eine gemeinsame Werbung mit den Innenstadt-Gastronomen vorstellen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Kröning meinte: „Es gab eine Zeit, da hatten die Schausteller einen Anwalt - den Innensenator.“ An dessen Tisch wäre auch die Stadthalle gekommen. Inzwischen - das Amt ist von dem FDP-Mann van Nispen besetzt - herrsche „Wirrwar“. Zu dem „Zuständigkeitsdurcheinander“ derzeit zähle auch das Wirtschaftsressort: „Erschreckende Unklarheit“ über das Konzept der Bürgerweide herrsche. Der „verdammte Klangbogen“, wenn er schon sein müsse, sei von der Politik zumindest „miserabel verkauft“ worden. Auch der Klangbogen bedeutet für die Schausteller eine Einschränkung ihres Platzes, den sie seit 958 Jahren als den ihren betrachten.

„Schützen Sie dieses wertvolle Kulturgut“, apellierte Schausteller-Vertreter Strohmann. Die SPD-Politiker versprachen ihre Unterstützung. „Wenn es nicht die Bremer SPD gäbe...“, spielte Kröning auf das Versagen des Koalitionspartners an. K.W.

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