: SPD will bessere Luft für Kinder
■ Bundestagsfraktion fordert Gesetze gegen schleichende Umweltvergiftung: Tempo 30 und keine Zigarettenautomaten
Berlin (taz) – Die SPD-Bundestagsfraktion hat gestern einen ganzen Korb neuer Gesetze und Verordnungen verlangt, um die schleichende Vergiftung von Kindern zu stoppen. Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, kritisierte, daß Kindergesundheit heute in der Politik unter technischen und Kostengesichtspunkten diskutiert werden. Die Vorbeugung komme deutlich zu kurz.
Dabei räume selbst die Bundesregierung ein, daß sich durch die Gifte in der Umwelt der „Gesundheitszustand (der Kinder) schleichend verschlechtert und verstärkt chronische Krankheiten auftreten“. Nach einer Untersuchung der Uni München litt ein Drittel aller fünf und sechsjährigen an allergischen Erkrankungen. 1,5 Millionen Kinder hätten heute schon chronische Hautreizungen.
In ihrem Antrag fordern die Sozialdemokraten daher vor allem die Verminderung von Umweltgiften. Kinder nähmen solche Gifte wegen ihres aktiveren Stoffwechsels stärker auf, die bisherigen Grenzwerte seien aber auf Erwachsene zugeschnitten. Unverzüglich müsse eine Ozonverordnung den Grenzwert für die Belastung der Luft mit dem Reizgas auf 120 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festlegen. Dieser Wert wird auch vom Ingenieursverband VDI empfohlen. Die Messung von Luftverschmutzung soll in Höhe der Kindernasen erfolgen und nicht wie bisher in vier Metern Höhe.
In Mittelpunkt des Interesses der SPD-Fraktion steht die Verkehrspolitik: Tempo 30 soll in allen Wohngebieten flächendeckend eingeführt und die Lärmbekämpfung intensiviert werden. Das krebserzeugende Benzol gehöre als Benzinbeimischung „nach einer Übergangszeit generell verboten“, und für Autos müßten maximale Verbrauchswerte festgelegt werden. Derweil erleichtern SPD- Landesregierungen weiter die Straßenplanung und genehmigen im Bundesverkehrswegeplan immer mehr Platz für die stinkenden Blechkisten.
Industriebetriebe sollen in Gebieten mit hoher Umweltverschmutzung künftig nur noch nach der Prüfung ihrer Gesundheitsverträglichkeit genehmigt werden. In dem gemischten Katalog von 20 Punkten finden sich zudem die Forderung nach einem Verbot von öffentlich zugänglichen Zigarettenautomaten, der Einschränkung der Tabakwerbung und der Werbung in Kindersendungen. Walkman und Diskotheken sollen leiser werden. Schließlich müsse ein Forschungsprogramm für Kindergesundheit aufgelegt werden, die gesundheitliche Aufklärung verbessert und vorbeugender Gesundheitsschutz für Kinder auch von Krankenkassen bezahlt werden.
Die Bundesregierung hatte im vergangenen Mai in einer ausführlichen Antwort auf parlamentarische Anfragen von SPD und Bündnis 90 Datenmaterial zur schleichenden Vergiftung der Kinder geliefert. ten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen