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SPD will Zukunft „allein gestalten“

■ Die SPD ringt um das Programm, mit dem sie nach 2003 allein regieren könnte / Statt Millionen-Subventionen für „Gaudimax“, sollen Investitionen mehr für BremerInnen bewirken

Dass „wir hoffentlich in der nächsten Legislaturperiode wieder allein die Politik bestimmen können“, erklärte Bildungssenator Willi Lemke den Delegierten des SPD-Unterbezirksparteitages am Samstag als sein Ziel. Großer Beifall im Saal, das traf die Stimmung.

Aber was würde die SPD tun, wenn sie wieder allein könnte? Mit einer großen Programmdiskussion ist die Partei derzeit dabei, sich darauf neu zu verständigen. „Trotz einiger Erfolge“ sei das Ziel der Sanierungspolitik noch in der Ferne, heißt es in einem der beschlossenen Anträge, Sanierungspolitik müsse „darauf überprüft werden, ob sie ihre Ziele erreicht und ob sie effektiv genug organisiert ist“.

Unterbezirksvorstands-Mitglied Gerd Markus ist Berichterstatter über die Programm-Diskussion, die unter der Parole „Zukunft gestalten in Bremen“ steht. Markus kennt als ehemaliger Staatsrat die „andere Seite“ genau – bei den komplizierten Frage ein Vorteil. Und so erklärt er den Delegierten das Problem: Derzeit werden nur noch ca. 20 Prozent der Steuerreinnahmen für den Schuldendienst ausgegeben, diese „Zins-Steuer-Quote“ wird aber nach der mittelfristigen Finanzplanung wieder sprunghaft ansteigen. Das würde jeden Sanierungserfolg bald wieder zunichte machen. Wenn in Zukunft Investitionen geplant werden, so Markus, dann müsse nicht nur die Landeshaushaltsordnung (LHO) respektiert werden, wie der Finanzsenator es sagt. Nach der LHO darf die Neuverschuldung mit der Investitionsrate anwachsen. Nein, sagt Markus, die „Zins-Steuer-Quote“ dürfe nicht wieder ansteigen, unter diesem Gesichtspunkt müsse die gesamte Investitionsplanung überprüft werden.

Das ist ein hartes Kriterium. Investitionen, die wie privatwirtschaftliche Investitionen „rentabel“ sind und zu einer angemessenen Erhöhung der Steuereinnahmen führen, dürfen sein. Investitionen, die im Grunde verlorene Zuschüsse sind, müssen auf den Prüfstand. Die 56 Millionen Mark für das Musical, konkretisiert der UB-Vorsitzende Wolfgang Grotheer diesen Gedanken, würde er „aus heutiger Sicht ablehnen“. Die Subvention der Galopp-Rennbahn? „Rentiert sich nicht.“

Die Prognosen, die der „Bremer Ausschuss für Wirtschaftsforschung“ (BAW) des Wirtschaftssenators für die Investitionsentscheidungen bisher vorgelegt habe, seien „oft falsch“ gewesen. Eva-Maria Lemke-Schulte, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, unterstreicht das. Beim Musical sei sogar bei der Berechnung „regionalwirtschaftlicher Effekte“ davon ausgegangen worden, dass auswärtige Besucher in Bremen zum Frisör gehen. Auf derartig unseriöse „Prognosen“ will sie in Zukunft keine Investitionsentscheidung bauen, das sei „ein freundlicher Hinweis an Prof. Haller“, sagt sie. Haller ist als Ex-Staatsrat und derzeitiger Leiter des BAW verantwortlich für die Prognosen. Auch redet sie von „diesem Koalitionspartner, solange wir ihn noch haben“.

Die Investitionspolitik soll sich wieder konzentrieren auf „Investitionen in die Stadtentwicklung und in die großstädtische Infrastruktur, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bevölkerung unmittelbar betreffen“, heißt es in dem beschlossenen Leitantrag. Weniger „Gaudimax“, sagt der abgeordnete Winfried Brumma. Stattdessen ein Bekenntnis zur sozialen Infrastruktur: Schlossparkbad – „zu diesem Bad stehen wir“, sagt der Abgeordnete Jürgen Pohlmann.

Und: Um Zukunft auch aktiv „gestalten“ zu können, darf das Land nach Ansicht der SPD-Delegierten seine Instrumente nicht ohne Not aus der Hand geben. Der Bremer Kommunikationsbetrieb (Brekom) dürfe nicht privatisiert werden, beschlossen die Delegierten in einer knappen Kampfabstimmung. Damit verschiedene technologieorientierte Gewerbegebiete ihre Datenübertragung realisieren können, müsse das subventionierte Angebot „Landesbreitband-Netz“ erhalten bleiben.

Die Gewoba soll als kommunales Wohnungsbau-Unternehmen ihren Beitrag zur Stadtgestaltung leisten, die Mieter dürften nicht „den Interessen des Kapitalmarktes ausgeliefert werden“, sagt Jürgen Maly.

Stolz hören sich die Delegierten den Bericht der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft (BLG) an. Sie ist für sie das Beispiel dafür, dass ein Unternehmen sich auch bei staatlicher Anteils-Mehrheit völlig umorientieren und erfolgreich wirtschaften kann. „Klug führen“ anstatt wahllos zu verkaufen, nennt Carsten Sieling das.

Aber wie soll der Senat bis zum Jahre 2005 zu den erforderlichen Einsparungen kommen? 800 Millionen Mark betrage das „strukturelle Defizit“, sagt Wolfgang Grot-heer. 400 Millionen sollten nach der derzeitigen Planung durch den rigiden Rotstift vor allem im kulturellen und sozialen Bereich eingespart werden, 400 Millionen bei den Personalkosten durch den Umbau des Öffentlichen Dienstes. „Verantwortliches Sparen durch Umbau“ ist die Überschrift über zwei Seiten in dem Leitantrag. Es geht um den Abschied von den „herkömmlichen Organisationsformen des Öffentlichen Dienstes“ und um die neue Philosophie des Sozialressorts, um den „aktivierenden Staat“, der auf die „Selbsthilfepotenziale“ der Menschen setzt.

Dieser ganze Absatz wird von den Delegierten gestrichen. Stattdessen werden nun der „verkappte Abbau sozialer Leistungen“ und „Privatisierung von öffentlichen Aufgaben“ abgelehnt. Sozialdemokratische Politik könne nicht zum Ziel haben, „ohne Rücksicht auf Verluste die öffentlichen Haushalte zu sanieren“, ein „umfassendes sozialstaatliches Angebot“ sei eine „verfassungsmäßige Verpflichtung“ steht nun in dem beschlossenen Papier. K.W.

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