■ SPD gerät beim Opponieren gegen Kohl in die Zwickmühle: Die Sparpaketfalle
Mit ihrer Mehrheit im Bundesrat haben die Sozialdemokraten ein starkes Druckmittel – gegen die Bundesregierung wie gegen sich selbst. Tatsächlich kann die SPD Teile des Sparpakets blockieren. Bei der geplanten Verschiebung der Kindergelderhöhung etwa wird dieses Ansinnen auf breite Zustimmung der WählerInnen stoßen. Oskar Lafontaine wird da zum Retter der Entrechteten, der die soziale Tiefkühlfachmentalität Kohls stoppt.
Doch leider, leider: Wo ein Erfolgserlebnis lockt, ist bei der SPD der tiefe Fall nicht weit. Bei der Frage der Lohnfortzahlung nämlich droht die Haltung der SPD zum Bumerang zu werden. Zwar ist die Lohnkürzung für Kranke ebenfalls unbestritten ein wichtiges Thema, doch bei dieser Diskussion fällt dem Bundesrat nicht nur die Rolle des sozialen Rettungsengels zu. Die Einkommenskürzung bei Arbeitern und Angestellten ist schließlich beschlossene Sache und nicht mehr zu verhindern. Einzig bei der Beamtenschaft ist der Bundesrat zustimmungspflichtig.
Nun ist die SPD nicht mehr zu beneiden. Stimmt sie entgegen vollmundigen Ankündigungen der Einkommenskürzung für kranke Beamte zu, fühlen die sich hintergangen – und die SPD ist mal wieder umgefallen. Verhindert sie aber diesen Gehaltsverzicht, entsteht eine eklatante Ungleichstellung zwischen den Staatsdienern auf der einen Seite und dem Rest des Volkes andererseits. Wenn Angestellte und Arbeiter aber erst einmal bei jedem Krankentag auf zwanzig Prozent des Einkommens verzichten müssen und dann erfahren, daß ausgerechnet die ohnehin privilegierten Beamten weiter voll abkassieren können, entsteht das, was landläufig als Sozialneid bezeichnet wird. „SPD schützt Bürokratenhengste in den Amtsstuben“: Diese Tatsache wird der Partei wohl wenig Freude bereiten. Daran ändert auch nichts, daß die Sozialdemokraten sich zu Recht weigern wollen, einem Teil der Bevölkerung – den Beamten – eine Ungerechtigkeit zuzumuten, nur weil die Regierung dafür gesorgt hat, daß der andere Teil schon jetzt diese Ungerechtigkeit erfahren muß.
Dieses Dilemma der SPD ist nicht auflösbar. Es zeigt allerdings, wie schwach das Instrument Bundesrat, auf das die Opposition schon mehrfach vergeblich gesetzt hat, in Wahrheit ist. Zentrale Regierungsvorhaben lassen sich damit nur äußerst begrenzt verändern. Aus der Opposition läßt sich eben keine Gegenregierung machen. Klaus Hillenbrand
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