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SPD gegen Grüne und BVGWeiter auf Kollisionskurs

BVG-Chefin Sigrid Nikutta kontert die SPD-Kritik an ihrem Unternehmen: Die Zuverlässigkeit der U-Bahn liege bei 98 Prozent.

In der Kritik: BVG-Chefin Nikutta und die Grünen-Senatorinnen Pop und Günther (von links) Foto: dpa

Berlin taz | Das Nachspiel der SPD-Fraktionsklausur geht am Dienstagnachmittag im dritten Stock des Abgeordnetenhauses über die Bühne. „Die Leute kotzen“, hat Fraktionschef Raed Saleh am Wochenende in Warnemünde drastisch über die BVG und den Unmut über Verspätungen und Ausfälle gesagt und die Vorstandschefin Sigrid Nikutta zur Fraktionssitzung ins Parlament geladen.

Die schaut nun erst bei den Grünen, dann ein paar Schritte weiter bei den SPD-Abgeordneten vorbei und sieht das vor Beginn der Sitzungen ganz anders mit der angeblichen Misere. Bei rund 15.000 Mitarbeitern und über einer Milliarde Fahrgästen im Jahr könne es schon sein, „dass an irgendeiner Stelle etwas nicht funktioniert“, sagt die BVG-Chefin der taz, „wir haben bei der U-Bahn eine Zuverlässigkeit von 98 Prozent.“

Zielscheibe der Kritik waren bei der SPD-Klausur an der Ostsee neben Nikutta auch die grünen Senatorinnen Regine Günther (Verkehr) und Ramona Pop (Wirtschaft) als BVG-Aufsichtsratschefin. „Die SPD sollte mal aufhören, Opposition zu spielen“, konterte Pop schon am Wochenende. Vor Beginn der Fraktionssitzung am Dienstag gibt sie sich verbindlicher: „Wir haben doch schon die Weichen zur Besserung gestellt“, sagte sie der taz – und dieses „wir“ soll für alle drei Partner der rot-rot-grünen Koalition stehen.

Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, der in seiner Fraktion den Arbeitskreis Umwelt und Verkehr leitet, mag die Kritik nicht an Nikutta, Pop und Günther festmachen, sondern daran, was er als BVG-Nutzer ­täglich erlebe und in vielen Gesprächen mit Bürgern höre: Ausfälle, viele Verspätungen, oft keine richtigen Informationen, wann denn der nächste Zug komme.

„Jedes Jahr mehr Leistung als im Vorjahr“

Nicht für alles sind aus Bucholz’ Sicht ausgebliebene Investitionen in den Berliner Sparjahren unter rot-roter Regierung von 2002 bis 2011 verantwortlich, die einige Grüne jetzt der SPD vorhalten: Manche der aktuellen Probleme seien erst in den vergangenen zwei Jahren unter grüner Leitung aufgekommen. Konfrontiert mit den 98 Prozent Zuverlässigkeit bei der BVG, die Unternehmens­chefin Nikutta nennt, äußert Buchholz zumindest vorsichtige Zweifel an der Berechnungsgrundlage.

Im Grünen-Sitzungssaal 306 ist vor Beginn durch die offene Tür schon die erste Folie von Nikuttas Vortrag zu sehen: Eine ansteigende Reihe blauer Säulen – die BVG-Chefin argumentiert mit steigenden Fahrgastzahlen. „Wir erbringen jedes Jahr mehr Leistung als im Vorjahr“, sagt sie den Journalisten, die sie vor der Tür abfangen, wo sie mit einem Halstuch im BVG-Sitzmuster ankommt.

Wir erbringen jedes Jahr mehr Leistung

Sigrid Nikutta, BVG-Chefin

Die CDU-Fraktion wirft den Sozialdemokraten vor, von eigenen Versäumnissen ablenken zu wollen. „Die SPD kritisiert die BVG für Probleme, die sie selbst verursacht hat“, sagt ihr verkehrspolitischer Sprecher Oliver Friederici, „es ist ärgerlich, wie hier die Genossen den guten Ruf des Unternehmens und die gute Arbeit seiner Beschäftigten diskreditieren.“ Auch die FDP-Fraktion hält der SPD „Scheinheiligkeit und fehlende Selbstreflexion“ vor.

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2 Kommentare

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  • Wozu redet man eigentlich über Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs für den Klimaschutz, wenn der ÖPNV nicht mal in der Lage ist, die aktuelle Nachfrage zu bedienen?

    Und dabei ist die U-Bahn der zuverlässige Teil.

    Die Busfahren ist schon eher Glückssache.

    Die S-Bahn ist noch ein Zacken schärfer.

    Schade, dass Rot-rot-grün nicht mehr bringt.

    Wo ist die Abstimmung zum Ausbau mit der brandenburgischen Regierung, damit mehr Leute aus dem Speckgürtel auf ihr Auto verzichten können?

    Für alle Beteiligte ist es doch ein Alptraum, wenn auf einmal deutlich mehr Menschen ihr Auto zum Klimaschutz stehen lassen würden.

  • Die SPD regiert seit 2001 in Berlin, ein Unternehmen, das man selbst teilweise kaputtgespart hat, nun dafür zu kritisieren, das es die jetzt benötigten Schlagzahlen nicht schafft, ist grotesk.