SPD-Zwist wegen Umgang mit Linkspartei: "Steinbrück nutzt Situation Becks aus"
Das SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer greift SPD-Vize an: Steinbrück soll sich an seine Beschlüsse halten.
taz: Herr Scheer, es hagelt innerparteiliche Kritik am SPD-Parteivorsitzenden Kurt Beck. Wie sehr hat sich Beck durch seinen holprigen Strategiewechsel selbst geschwächt?
Hermann Scheer: Es ist absurd, wegen einiger Turbulenzen in den letzten Tagen über eine mögliche Schwächung Kurt Becks zu spekulieren. Auf eine solche Idee kann nur kommen, wer Augenblicksmomente so absolutiert, dass er den Blick für die Realität verliert. Was Kurt Beck sagt, entspricht dem Denken der weit überwiegenden Mehrheit in der SPD.
Immerhin sollen Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück planen, Beck die Kanzlerkandidatur zu entreißen. Das sind zwei seiner drei Stellvertreter.
Ich halte das für ein Hirngespinst. Wenn es einen solchen Putschplan geben sollte, wäre er jedenfalls sehr dilettantisch angefangen worden. Es gibt aber Leute in der Partei, die die schwierige Situation gezielt ausnutzen und sich völlig undifferenziert zu Dingen äußern, denen sie kurz zuvor selbst zugestimmt haben. Darunter befindet sich leider auch ein Stellvertreter von Kurt Beck.
Der SPD-Vize Peer Steinbrück hat Becks Strategiewechsel als Wortbruch gegeißelt. Wird diese Kritik im heute tagenden Parteirat geteilt?
Im Gegenteil. Ich glaube, es gibt Unmut wegen ihm und seiner laufenden Kritik an Beck: Es ist unangemessen und unfair, wenn Peer Steinbrück immer wieder von Wortbruch spricht, ohne eine Alternative benennen zu können. Wenn die SPD sich aus der babylonischen Gefangenschaft der CDU befreien und künftig nicht immer nur als deren Juniorpartner regieren will, muss sie sich nach links öffnen. Deshalb ist es richtig, dass Beck diese Entwicklung angeschoben hat. Und es ist Quatsch seinen Kommunikationsstil dabei zu kritisieren. Er hatte das ja so nicht geplant.
Dennoch sind laut Umfragen nur noch 28 Prozent der Bürger mit Kurt Beck zufrieden. Zweifel an Becks Tauglichkeit zum Kanzlerkandidaten sind da nicht abwegig.
Es ist ein Irrtum, den Kanzlerkandidaten einfach danach auswählen, wer gerade in den Umfragen oben steht. Dann kann man diese wichtige Entscheidung auch gleich den Demoskopen überlassen.
INTERVIEW: LARS GAEDE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos