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SPD-Streit über Kurswechsel vor WahlNaumann verweigert Auftritt mit Beck

Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Naumann hat einen Auftritt mit Parteichef Beck verweigert. Doch im Streit um die Position zur Linken stützt das Präsidium den Vorsitzenden.

Keine Lust mehr, Kurt Beck (l.) zu verteidigen: Michael Naumann Bild: dpa

Was für ein symbolisches Bild: Kurt Beck ist politisch angeschlagen, und am Montag streckt ihn auch noch eine schwere Grippe nieder. Die Sitzungen des Präsidiums und des Vorstands finden ohne den Parteivorsitzenden statt. Der Tag der großen Abrechnung mit Beck? Fällt aus.

Ist dieser grauhaarige Mann, der da am Montagmorgen mit dem ICE 901 von Hamburg nach Berlin fährt, schuld daran? Michael Naumann sitzt in der 1. Klasse und studiert die Morgenzeitungen. Selbst die sonst so ignorante Bild attestiert dem SPD-Spitzenkandidaten, in Hamburg einen fulminanten Wahlkampf hingelegt zu haben. Einig sind sich alle Zeitungen allerdings auch darin: Ein besseres Ergebnis als 34,1 Prozent ist Naumann ausgerechnet vom eigenen Parteichef versaut worden.

Alle Hamburger Sozialdemokraten sind überzeugt, dass Becks Schwenk hin zur Linkspartei der SPD Stimmen gekostet hat. Am Schluss des Wahlkampfs gab es kein anderes Thema mehr als Becks Überlegung, die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Und das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap übermittelte der Parteiführung am Samstag den radikalen Stimmungsumschwung quasi amtlich: Die Demoskopen schätzten einen Verlust von 2 bis 3 Prozent.

Naumann hatte sich den Ärger darüber offiziell nicht anmerken lassen. Er lenkte die Spekulationen über Hessen sofort auf Hamburg und schloss ein Bündnis mit der Linkspartei in der Hansestadt gebetsmühlenartig aus. Aber wenn die Fernsehkameras ausgeschaltet waren, konnte Naumann seine Wut auf Beck nicht mehr verbergen. "Tödlich" nannte er dessen unkontrolliertes Gerede.

Nach der Wahl ließ Naumann alle Rücksicht fahren. Er teilte Beck mit, dass er sich weigere, gemeinsam mit ihm am Montag in Berlin vor die Presse zu treten. Und schon gar nicht wolle er vom SPD-Chef Blumen überreicht bekommen. Naumann hatte keine Lust mehr, Beck zu verteidigen.

Die Reaktion des Parteichefs beschreibt ein führender Hamburger Sozialdemokrat so: "Plötzlich war Beck krank." Plötzlich? Eine Krankheit als Ausrede? Das darf ins Reich der Legenden verbannt werden. Becks Grippe ist nicht simuliert. Sie kündigte sich bereits vorige Woche an. Und dass die Krankheit einen Aufstand gegen den Parteichef verhindert hat - auch das stimmt nicht. Am Ende des Tages seiner Abwesenheit steht Beck nämlich wie ein Sieger da. Die SPD-Spitze hat seinen Kurs der vorsichtigen Öffnung gegenüber der Linkspartei abgesegnet.

Keine Frage, Kurt Beck hat einen politischen Fehler begangen, als er eine Woche vor der Wahl bei einem Abendessen in kleiner Runde in Hamburg über Hessen, die geheime Ministerpräsidentenwahl und die Stimmen der Linken schwadronierte. Und er machte einen weiteren Fehler, als er die wilde Debatte darüber nicht gleich wieder einfing. Selbst seine Stellvertreter ließ er tagelang im Unklaren. Beck selbst sieht das mittlerweile wohl auch so. Am Sonntagabend übte er vorsichtige Selbstkritik. Er sprach von "Irritationen" und sagte: "Wenn ich einen Beitrag dazu geleistet habe, dann bedaure ich das." Einen Tag später wird Generalsekretär Hubertus Heil das eine "ungewöhnliche Geste" nennen, die selten sei in einer Welt, in der Fehler normalerweise nicht zugegeben werden.

Die Kritik an seinem Vorgehen hatte Beck sich quer über alle sozialdemokratischen Lager hinweg am Sonntagnachmittag anhören müssen. Zunächst in einer Sitzung mit seinen Stellvertretern Andrea Nahles, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier sowie Fraktionschef Peter Struck. Anschließend in einer Telefonschaltkonferenz mit allen Landes- und Bezirksvorsitzenden. Er wisse, dass er sich bei jenem Abendessen in Hamburg besser nicht geäußert hätte, soll Beck gesagt haben. Die SPD-Spitze verständigte sich, jetzt bloß keinen Richtungskampf zu führen.

Auf Initiative von Beck erarbeitete die engere Parteiführung anschließend eine Erklärung, die bei der ganzen Vorgeschichte ungewöhnlich ist. Ihr Kern: Im Fall der Fälle hat Andrea Ypsilanti in Hessen freie Hand.

Erkauft hat sich Beck diese Erklärung bei seinen Rivalen Steinbrück und Steinmeier mit ein paar scharfen Formulierungen der Abgrenzung nach links. Keine Koalition mit der Linkspartei 2009 auf Bundesebene, heißt es da. Gleich drei Gründe werden dafür genannt: Die "Linke" weise in zentralen Fragen der Außen-, Finanz- und Wirtschaftspolitik unüberbrückbare Gegensätze zur SPD auf; sie habe kein Programm und sei unberechenbar; sie habe DKP-Mitglieder in ihren Reihen. Außerdem wird die SPD in Hessen aufgefordert, mit den Grünen und der FDP das Gespräch zu suchen, um eine stabile Regierung bilden zu können. Und dann der alles entscheidende Satz: "Sollte es nicht zu einer Koalition kommen, wird die SPD-Hessen entscheiden, ob und ggf. wann sich Andrea Ypsilanti im Landtag zur Wahl stellt."

Keine Öffnung zur Linkspartei sei das, sagte Generalsekretär Heil anschließend, sondern eine "Bekräftigung" von Becks bisherigem Kurs. Im SPD-Präsidium herrschte Einstimmigkeit, im Vorstand gab es nur eine einzige Gegenstimme. Wahrlich, ein Aufstand sieht anders aus.

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