SPD-Politiker Thomas Oppermann: Der Unvollendete
2021 wird Thomas Oppermann nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Was er am liebsten geworden wäre, wurde er nicht.
2021 will Oppermann, der viermal das Direktmandat in Göttingen gewann, nicht mehr antreten. In einer Erklärung seines Büros heißt es, dass er „das Ziel, Bundesinnenminister zu werden, um unter anderem eine fortschrittliche und kontrollierte Migrationspolitik durchzusetzen, nicht verwirklichen konnte“. Beim Abschied zu erwähnen, was nicht funktionierte, ist ungewöhnlich, irgendwie lässig.
Oppermann hat als politische Figur etwas Doppeltes. Er war harter Machtpolitiker, der sich in der Bundesfraktion vor allem unter den SPD-Linken wenig Freunde machte. Als parlamentarischer Geschäftsführer bescherte ihm die Fraktion einmal ein bescheidenes Ergebnis. Er kümmere sich zu sehr um seine Buddys, zu wenig um die Fraktion, hieß es.
Oppermann polarisierte, konnte als Generalist bei fast jedem Thema die Gegner attackieren, war aber äußerst flexibel, wenn sich die Großwetterlage änderte. 2013 kritisierte er Angela Merkel wegen der NSA-Abhöraffäre scharf. Die FAZ schrieb damals: „Der Mann ballert los, als wollte er die goldene Schützennadel aller Sozialdemokraten gewinnen.“ Kaum bahnte sich 2013 die Große Koalition an, warf Oppermann mit Watte.
Edathy-Affäre clever überstanden
Dass er hart und clever agieren konnte, zeigt die Edathy-Affäre. Oppermann hatte vertrauliche Informationen über justiziable Vorwürfe gegen SPD-Mann Edathy, die er sich vom Bundeskriminalamt bestätigen ließ – ein grenzwertiges Verhalten. Doch er überstand die Krise mit guten Nerven.
Gegen die Versuchung, sich selbst mit der Bedeutung des Amts zu verwechseln, war Oppermann stets ziemlich resistent, was im Berliner Betrieb eher Ausnahme als Regel ist. In das Bild passt auch, dass er, als linke Studenten in Göttingen das SPD-Büro besetzten, nicht die Polizei rief, sondern den Besetzern Kaffee servierte.
Seit er 2017 Bundestagsvizepräsident wurde, veränderte sich sein Auftreten. Er ist nicht mehr der scharfzüngige Angriffslustige, sondern, dem Amt entsprechend, zurückhaltend. Auf den SPD-Parteitagen der letzten Zeit erschien Oppermann weniger als Kämpfer im Getümmel denn als amüsierter, entspannter Zuschauer. Insofern ist sein Rückzug nicht völlig überraschend.
Jetzt also Rente mit 67? Das dann doch nicht. „Nach 30 Jahren als Abgeordneter ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, mir neue Projekte vorzunehmen“, so Oppermann. Welche, das ist noch offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann