piwik no script img

SPD-Parteitag in NRWBeinfreiheit für Peer

Auf dem NRW-Parteitag hatte Steinbrück seinen ersten Auftritt als Kanzlerkandidat und warb um Vertrauen. Die Parteilinke fordert ein soziales Programm.

Der erste Auftritt des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Bild: dapd

BERLIN taz/dpa | Er stiehlt ihr gleich mal die Show. Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, muss sich am Samstag in Münster auf dem SPD-Landesparteitag mit einem „Wenn Sie mich freundlicherweise mal durchlassen würden?“ nach vorn drängeln. Denn da steht er schon: Peer Steinbrück. Gelassen, lächelnd, selbstsicher.

Seit am Freitag bekannt wurde, dass der 65-Jährige im Bundestagswahlkampf gegen Angela Merkel (CDU) antreten wird, richtet sich alle Aufmerksamkeit auf ihn. Dagegen kommt selbst die beliebte „Landesmutter“ kaum an. „Willkommen zu Hause“, begrüßt sie in Münster den Mann, der selbst mal NRW-Landeschef war. 2002 trat er die Nachfolge von Wolfgang Clement an, der damals Bundesarbeitsminister wurde. Die Landtagswahl 2005 verlor Steinbrück allerdings kläglich, Jürgen Rüttgers (CDU) übernahm das Amt.

Münster, das ist für Steinbrück der erste große Auftritt als Kanzlerkandidat. Hier muss er glänzen, das weiß er. Er spricht davon, dass Schwarz-Gelb abgelöst werden müsse, er wirbt um Vertrauen für seine Person. Er sagt Sätze wie "Das Programm muss zum Kandidaten passen, der Kandidat zum Programm." Und: „Ihr müsst dem Kandidaten an der einen oder anderen Stelle auch etwas Beinfreiheit einräumen.“ Das alles reicht für einen minutenlangen Applaus. Als Hannelore Kraft mit 99 Prozent als SPD-Landeschefin im Amt bestätigt wird, ist Steinbrück schon wieder weg.

In Münster schien es leicht zu sein für den Mann, den der Politikberater Michael Spreng als „sperrigen Kandidaten“ bezeichnet. Steinbrück fehle „Nestwärme“, sagt Spreng in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cicero: „Er ist für den linken Flügel kein Kuschelkandidat.“ Die Parteilinken fordern von Steinbrück unter anderem mehr Engagement in der Rentenfrage.

„Wir brauchen ein klares Profil als linke Volkspartei“, sagte Juso-Chef Sascha Vogt der taz. Die Jusos erwarten von Steinbrück ein Wahlprogramm, das prekäre Beschäftigungsverhältnisse geißelt, sich für eine Ausbildungsplatzgarantie ausspricht und mehr in Bildung investiert. Die Jusos haben eine klare Vorstellung für eine künftige Koalition. „Rot-Grün“, sagt Vogt.

Das dürfte schwer werden. Der jüngsten Umfrage von Infratest-dimap zufolge haben SPD und Grüne zusammen keine Mehrheit. Für eine große Koalition würde es reichen. Aber dafür stehe er nicht noch einmal zur Verfügung, wiederholt Steinbrück in Münster. Unter Merkel war er von 2005 bis 2009 Finanzminister.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • G
    GWalter

    DIE VERSORGUNGSLÜGE

    Wie Politik und private Rentenversicherung uns in die Altersarmut treiben

    -

    Holger Balodis, Dagmar Hühne

    -

    Alle sagen: Private Rentenversicherung muss sein, sonst droht Altersarmut. Doch die von der Versicherungswirtschaft angebotenen Formen der Privatrente sowie Riester- und Rürup- Rente taugen nicht als Ersatz für die gesetzliche Rente.

    -

    https://dl.dropbox.com/u/20500045/wdr5_redezeit_20120919.mp3

  • MW
    Marcel Wegner

    In den letzten Jahren soll Steinbrück über 500.000,-EUR für Vorträgee kassiert haben- während er die Bundestagssitzungen schwänzte.

     

    Leute, der hat parallel Steuergelder kassiert UND privat abgesahnt. Ist das wirklcih was anderes als Hartz IV und nebenbei an der Börse spekulieren?

     

    Wie kann man den nur mit "soliden Finanzen" in Verbindung bringen.

    Ich kenne keinen Politiker, der derart abgrundtief absahnt, schon während der Dienstzeit.

    Christian Wulff ist dagegen ja ein Held an Anstand.

  • J
    jenny

    steinbrück wirkt wie ein autistischer solokämpfer,

     

    ihm fehlt schon jetzt die volle unterstützung der

     

    ganzen partei u. damit auch schlagkraft.

     

    er schließt eine mitarbeit in einer cdu-spd-koalition

     

    aus, na gut, dann fret sich schon franz walter wieder

     

    aa. + vizekanzlerposten zu besetzen.

     

    steinbrück spielt im kommenden wahlkampf das kampf-

     

    ross, die anderen genossen sammeln hernach die

     

    brosamen des 2. siegers auf.

     

    inhaltlich ist steinbrück - gerade auch in der euro-

     

    krise- viel zu unausgegoren, denn bankenregulierung

     

    allein genügt nicht, er war lange für eurobonds u.

     

    transferzahlungen nach südeuropa, damit kann er

     

    schon durch die agenda 2010 gerupfte niedriglohn-

     

    arbeitnehmer + rentner nicht gewinnen,

     

    steinbrück plaudert zwar nassforsch, aber er ver-

     

    galloppiert sich auch schnell; merkel wird ihn mit

     

    ihrer ruhigen art sicher schnell ins abseits reiten

     

    lassen, wo er dann mit 67 seine üppigen pensions-

     

    gelder - sicher mehr als 100000 pa.-

     

    bücherschreibend verzehren kann .

  • M
    Michael

    Ein ehemaliges Mitglied des SPD-Parteivorstandes sagte auf einer Veranstaltung vor einigen Monaten, die SPD werde derzeit von Leuten geführt, denen Pöstchen wichtiger sind, als Wahlsiege. Sie würden Niederlagen locker in Kauf nehmen, wenn ihre innerparteiliche Machtposition dadurch gestärkt wird - aber niemals hintanstehen, wenn ein anderer Kandidat (gottbewahre gar eines anderen Parteiflügels) mehr Aussichten auf Sieg habe.

    Ich halte diese Analyse für zutreffend.

    Und illoyaler gegenüber der eigenen Partei kann man kaum noch sein.

    Die SPD hat mit Ihrer Neoliberalen Politik der letzten 15 Jahre (Agenda 2010 inkl. Harz4, Banken-Deregulierung usw.) das Schlimmste getan, was eine Partei sich selbst antun kann: Sie hat ihre eigene Klientel verraten.

    Die SPD könnte erst wieder gewinnen, wenn sie sich hiervon sowohl inhaltlich wie auch personell verabschieden würde.

    Letzteres würde bedeuten, dass die SPD praktisch ihre gesamte Führung austauschen, und den "Seeheimer Kreis" in die Wüste schicken müsste.

    Das politische Handeln der SPD stellt sich schon seit Jahren so dar, als habe eine "feindliche Übernahme" durch den politischen Gegner stattgefunden.

    Wie gleichgeschaltet die Parteiorgane der SPD sind, kann man auch daran erkennen, dass der einzige Kandidat mit etwas Aussicht auf Erfolg, Frauf Kraft nämlich, nicht einmal diskutiert worden ist.

    Und Peer Steinbrück, anstelle eines Mea culpa ob seiner Banken-Deregulierung darf sogar noch fordern, dass das Parteiprogramm an ihn angepasst wird.

    Der Aufschrei in der SPD bleibt aus.

    Ändern könnte dies alles nur die "Basis", und damit bereits bei den Ortvereinswahlen anfangen - doch die Basis hat die SPD wohl schon lange verlassen.

  • O
    Offiziner

    Beinfreiheit - damit er unbehindert treten kann?

    Gedenket Steinbrücks grobem Beginn in NRW, als er aus S-H kam - man konnte ihn, in seinem Furor gegen die in NRW gerade vorher zur Koalition gewonnenen Grünen, gerade eben noch von ihrem Rauswurf abhalten - er begriff erst gar nicht, daß damit "seine" Mehrheit weg gewesen wäre ...

    Er ist ein engstirniger strunzdummer Polterer - aber der Wille zur Macht in ihm ist so stark, daß seine Zielstrebigkeit manchem Nicht-Denker als Intelligenz erscheint.

    In einer Zeit, in der sich wohl alle intelligenten Idealisten aus dieser Partei aussortiert haben, ist Steinbrück ein Wadenbeißer in der Ruine des Traumschlosses, das mal SPD hieß. Im Rudel der Kläffer hat er sich nach oben gewunden, gesalbt von OLt Schmidt, der bei der Einrichtung Europas die einfachsten Zusammenhänge vernachlässigt und deswegen ein zum Scheitern verurteiltes Konstrukt schuf - Fiskalunion ohne vorherige Rechts- und Steuerangleichung. Was will man erwarten, wenn solche Fehler am Anfang stehen? Ein Steinbrück findet sich da jedenfalls nicht durch (Merkel wohl auch nicht wirklich). Ist ja auch totpeinlich ...

  • WB
    W. Brandt

    Mein Gott, jeder denkende Mensch müsste spätestens jetzt aus der SPD austreten. - Wobei denkende Menschen seit der rot-grünen Regierungszeit eigentlich längst nicht mehr Mitglied bei SPD oder Grünen sein können.

     

     

    Steinmeier ist neoliberal und hat alles sozialdemokratische verraten, was es gibt. Er hat als Finanzminister in der großen Koalition alles fleißig mit ruiniert. Er war für die Agenda 2010 für Niedriglöhne und Leiharbeit für den Armuts-Hartz-Iv-Satz und für die Rente erst ab 67, die zu garantierter Altersarmut führt, weil Menschen über 4o bereits meist keine Arbeit mehr finden. Er war für die Senkung des Rentensatzes und für die Deregulierung des Finanzmarkts. Dass Frau Künast sich mit ihm Rot-Grün vorstellen kann, zeigt erneut wie neoliberal auch sie ist wie die grünen insgesamt.

     

    Ein einziges Trauerspiel. Alle, die für eine soziale, gerechte Politik sind müssten endlich bei SPD und Grünen austreten, damit die Neoliberalen ganz allein da stehen. bleiben sie in diesen Parteien, lassen sie sich nur als Idioten benutzen.

  • F
    Falmine

    Mal ganz ehrlich (besser: realistisch) gefragt: Selbst wenn ich Steinbrücks Deregulierungswahn, seine Umverteilungsarien an die Großkopferten und seine unhanseatische Attitüde beiseite lasse - woher soll eigentlich die neue Begeisterung für Rot-Grün kommen?

    Viele ehemalige SPD-Wähler haben die Ära des Basta-Kanzlers und die anschließende Fortsetzung als GroKo noch keineswegs verdaut. 2009 23%. Und seitdem? Wurde in den vergangenen drei Jahren von Rot-Grün kraftvolle Opposition mit alternativen Konzepten gemacht, wurde die Kanzlerin ein einziges Mal getrieben? Wenn überhaupt, dann durch Die Linke. Rot-Grün hat alles, wirklich alles, mitgemacht!

    Die Leute wollen eine neue Politik, nicht nur eine neue Regierung. Und die, die das nicht wollen, wählen sowieso wieder das Original: Merkel.

    Also: Woher, bitteschön, soll die neue Begeisterung für Rot-Grün kommen? Von Steinbrück - wohl eher nicht.

  • S
    Sören

    Bei der Aufregung in Teilen der Medien kann man den Eindruck bekommen, dass die Wahlen unmittelbar bevorstehen - tatsächlich ist es noch ein Jahr bis dahin. Der wirkliche Wahlkampf findet im kommenden Sommer statt, und eher werden sich die meisten Menschen auch nicht intensiv damit befassen (auch wenn Politiker und Journalisten im "Raumschiff Berlin" das glauben mögen).

     

    Peer Steinbrück hat grundsätzlich absolut recht, eine rot-grüne Koalition ist möglich, wenn man denn engagiert dafür kämpft. Außerdem ist keineswegs sicher, dass PIRATEN, FDP und LINKE in den nächsten Bundestag einziehen. Die PIRATEN sind arg vom Kurs abgekommen, die FDP verbraucht und die LINKE ist marode und im wahrsten Sinne des Wortes vom Aussterben bedroht.

  • H
    hans

    Geschwätz. Jetzt noch groß reden schwingen, um doch noch ein paar Prozentpünktchen hinzu zu gewinnen. sobald es dann ernst wird, geht es doch zu Mutti aufn Schoß.

     

    Und das schlimme, selbst wenn (was völlig unwahrscheinlich ist), SPD + Grüne eine Mehrheit bekommen, ändern wird sich doch trotzdem nichts. CDU, FDP, SPD, Grüne; alles sie gleiche Soße

  • BM
    Besser mit Merkel

    Besser mit Merkel ein Zweckbündnis eingehen, als die 'Hausaufgaben' Merkels zu machen; Merkel gibt der SPD jetzt bereits Aufgaben, die die SPD während ihrer Amtszeit abzuarbeiten hat. Merkel ist so fies.

  • C
    Celsus

    Ach. Die SPD hat auch unter diesem mächtigen Mann sich nie geziert, heftige Wahlkampfaussagen zu konterkarieren. Da war die Mehrwertsteuererhöhung im Wahlkampf für die SPD noch asozial und nach dem Wahlkampf betrieb die SPD selber die höchste Mehrwertsteuerhöhung aller Zeiten in einer großen Koalition. Und das direkt nach der Wahl ohne jede neue Erkenntnis!

     

    Und jetzt: Wird die SPD mit der CDU ins Hochzeitbett steigen? Warum nicht? Das haben genau die gleichen Mächtigen schon einmal gemacht und es schien ihnen gefallen zu haben. Aber wozu soll das Volk unnötig vor den Wahlen beunruhigt werden? Nach den Wahlen haben die doch echt noch ganz lang Zeit dafür. In einer großen Koalition wird dann die CDU sagen müssen, was die nicht an Sozialabbauwünschen der SPD mittragen wollen.

  • G
    GWalter

    ES GIBT ALTERNATIVEN

    -

    Linkspartei und SED gleichzusetzen, das ist in der heutigen BRD eine sehr beliebte Moralkeule, zeigt allerdings auch, dass man weder das Programm der heutigen Linken verstanden hat, noch irgendeine Ahnung von Honecker oder der DDR hat.

    -

    Beides fällt heutzutage in der BRD ja nicht mehr negativ auf.

    -

    Zu Lafontaines Erfolgen: Lafontaine sagte bereits Ende der 90er Jahre viele der heutigen Entwicklungen voraus: Lohndumping, prekäre Arbeitsverhältnisse, Altersarmut ... und nicht zuletzt sagte er eine fundamentale Krise unseres Finanzsystems voraus.

    -

    Mag sein, dass viele Linke keine überzeugenden Erfolge in Regierungsverantwortung vorzeigen können. Aber man zeige mir mal einen Unions- oder FDP-Politiker, der das kann!

    -

    Zumindest sollte man der Linken zuhören, denn bisher sind fast alles eingetroffen, wovor sie warnte !!

    -

    Schon ein echt demokratisches Parlament, wo jedem zugehört wird und alle Argumente ernsthaft in Erwägung gezogen werden wäre eine grosse Sache....wir haben es aber nicht !!