SPD-Oberbürgermeister in Frankfurt: Korruptionsprozess hat begonnen
Die Staatsanwaltschaft wirft Peter Feldmann vor, sein Amt zum eigenen Vorteil genutzt zu haben. Die Verteidigung kündigt eine Stellungnahme an.
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Gröschel sorgte zunächst dafür, dass nicht seine mögliche Befangenheit, sondern die Vorwürfe gegen Feldmann im Zentrum des ersten Prozesstags standen. „Sie heißen mit Vornamen?“, befragte er den prominenten Angeklagten, und wies ihn in seine Rolle als Beschuldigten ein. Mit einer entschlossenen Intervention hatte Gröschel die Verlesung eines Befangenheitsantrag gegen ihn verhindert. Der Antrag sei außergerichtlich eingebracht worden, es sei nicht zulässig, den Antrag „nochmals zu verlesen“, gab Gröschel zu Protokoll – obwohl der Text bislang irgendwo verlesen wurde.
Vorteilsnahme im Amt heißt der Straftatbestand, den die Staatsanwaltschaft Feldmann vorhält. In „stillschweigendem Einvernehmen“ mit den Verantwortlichen der AWO habe Feldmann für sich und seine inzwischen von ihm getrennt lebende Ehefrau Vorteile angenommen und sich im Gegenzug in seinem einflussreichen Amt für die AWO eingesetzt, so die Argumentation der Anklage. Auch gegen Feldmanns Ehefrau wird strafrechtlich ermittelt.
Feldmann war schon bald nach seiner Wiederwahl 2018 als Frankfurter in den Strudel der strafrechtlichen Ermittlungen und Schadensersatzprozessen geraten, die als AWO-Affäre bundesweit Schlagzeilen machte. Den langjährigen Geschäftsführer:innen der AWO in Wiesbaden und Frankfurt, Hannelore und Jürgen Richter, wird vorgeworfen, in einem weitverzweigten System in die eigenen Taschen gewirtschaftet zu haben, mit horrend überhöhten Gehältern und Luxusdienstautos, für sich selbst und ihre Seilschaften.
Ein Geflecht aus Korruption und Gefälligkeiten
Etwa sollen Arbeitsverträge abgeschlossen und vergütet worden sein, für die es keine Gegenleistung gab. Gegen das Ehepaar Richter und ein Dutzend ihrer Unterstützer:innen laufen Ermittlungsverfahren, Straf- und Zivilprozesse. Durch das Geflecht aus Korruption und Gefälligkeiten sollen sie über Jahre hinweg auch bei öffentlichen Auftraggeber:innen ungerechtfertigt abkassiert haben.
Ein gemeinsames Abendessen der befreundeten Ehepaare Richter und Feldmann im Mai 2015 nennt die Anklage als Beginn des in ihrer Sicht kriminellen Bündnisses zwischen AWO und OB. An diesem Abend sei vereinbart worden, dass Feldmanns damalige Lebenspartnerin und spätere Ehefrau die Leitung einer deutsch-türkischen Kita übernehmen sollte, zu einem für eine Berufsanfängerin fürstlichen Salär von 4.500 Euro monatlich plus Dienstwagen. Das sei „deutlich überhöht, auch im Vergleich zu anderen Gehältern bei der AWO“, so die Staatsanwaltschaft.
Auch eine bezahlte „Hospitanz“ vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn bewertet sie als Vorteilsgewährung. Für Feldmanns Wiederwahlkampagne habe Frau Richter zudem fast 6.000 Euro Spenden eingetrieben. Mit diesen Vergünstigungen sei die Erwartung verbunden gewesen, dass sich der OB in seinem Amt „wohlwollend“ für die Interessen der AWO einsetzen würde. Das sei auch geschehen, so die Anklage.
Auf der falschen Seite agiert
Die Vorgänge und die E-Mails, mit denen die Staatsanwaltschaft die „stillschweigende Vereinbarung“ belegen will, beweisen ein enges Vertrauensverhältnis. Der Oberbürgermeister beendete interne Mails „mit roten und lieben Grüßen“. Hannelore Richter suchte von Feldmann in Konflikten mit der städtischen Verwaltung wiederholt Beistand.
„Lieber Peter, wir brauchen Deine Unterstützung“, schrieb sie, als sie das Revisionsamt angeblich mit „Schikanen“ überzog und einen „fürchterlichen Begleitbrief“ schickte. Statt in dem Streit vor Gericht zu ziehen, „treffe ich mich lieber mit meinem OB im Café Mozart“, schrieb Richter freimütig. „Gerne werfe ich Dir dienstlich und privat einen Stein in den Vorgarten“, bedankte sich die AWO-Chefin kryptisch.
Inzwischen steht wohl fest, dass Feldmann in diesen Konflikten auf der falschen Seite agiert hat. Die Bedenken und Einsprüche der städtischen Revisoren waren im Einzelfall wohl mehr als berechtigt. Doch hat Feldmann wegen zuvor gewährter Vorteile für sich und seine Ehefrau „geliefert“? Das bleibt die Kernfrage in diesem Prozess. Feldmann beteuert: „Ich war und bin nicht käuflich.“
Beim Verlassen des Gerichtssaals sagte Feldmann: „Ich würde mir eine faire und unvoreingenommene Klärung wünschen.“ Das klang wenig hoffnungsvoll. Nach dem Prozessauftakt kündigte seine Verteidigung eine ausführliche Stellungnahme an, die die Argumentation der Anklage widerlege.
Über den Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter muss nun eine Kammer ohne ihn entscheiden. Der Prozess soll am 27. Oktober fortgesetzt werden. Zeitgleich läuft in Frankfurt eine Bürgerabstimmung über die von den Stadtverordneten beschlossene Abwahl des OB. Nur wenn am 6. November mindestens 30 Prozent der wahlberechtigten Frankfurter:innen aktiv für dessen Abwahl stimmen, verliert Feldmann sein Amt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“