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SPD-Europaparlamentarier Udo Bullmann"Der Euro bleibt"

Die Zukunft der Währungsunion ist in der EU hart umstritten. Die Regeln des Marktes müssen endlich gegen den Markt angewendet werden, sagt der SPD-Europaparlamentarier Udo Bullmann.

Bullmann: "Die deutsche Regierung ist ins Nicht-Gelingen verliebt" Bild: checka / photocase.com
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Bullmann, was ist Ihre Prognose: Gibt es den Euro 2013 noch?

Udo Bullmann: Ich bin da optimistisch. Aber nach wie vor läuft vieles grundlegend schief.

Unter den Regierungen der Euro-Länder bricht offener Streit aus. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat Kanzlerin Merkel jetzt als "uneuropäisch" bezeichnet und ihr vorgeworfen, sie denke ein "bisschen simpel". Hat er recht?

Bild: udo bullmann
Im Interview: 

Udo Bullmann sitzt seit 1999 im Europaparlament. Seine Schwerpunkte sind Wirtschafts-, Finanzmarkt- und Beschäftigungspolitik. Seit 2009 ist er Sprecher der SPD-Fraktion für Wirtschaft und Währung.

Bei der Eurokrise ist die deutsche Regierung durch keinen einzigen konstruktiven Vorschlag aufgefallen. Das begann bereits, als Griechenland in die Pleite steuerte. Um die Wahl in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen, hat Merkel monatelang gezögert und zugelassen, dass Hinterbänkler der Koalition Forderungen aufstellten wie "Wollt ihr Kohle, verkauft uns Korfu". Das war an Dummheit und Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten.

Dass Sie als SPD-Politiker eine CDU-Kanzlerin kritisieren, überrascht nicht gerade.

Juncker ist ein Konservativer. Die Kritik an Merkel kommt inzwischen auch aus der eigenen Parteifamilie.

Juncker will einen Eurobond einführen. Eine gute Idee?

Den Eurobond diskutieren wir im EU-Parlament seit Jahren. Wir sehen ihn als mögliches Instrument, um den Anleihemarkt auszudifferenzieren und effizienter zu machen. Wenn alle Euro-Länder einen Teil ihrer Staatsanleihen gemeinsam herausbringen würden, entstünde ein riesiger, hocheffizienter Markt für Staatspapiere. Das würde die Zinskosten für die meisten Euro-Länder automatisch senken.

Aber nicht für Deutschland. Da hat Merkel doch recht: Jetzt gilt die Bundesrepublik als absolut stabil und muss deswegen sensationell niedrige Zinsen zahlen. Bei einem Eurobond lägen die Zinsen höher, weil schwache und starke Länder gemeinsam haften würden.

Deswegen muss man die Idee weiterentwickeln. Das Konzept muss einen Ausgleichsmechanismus vorsehen, der auch den starken Ländern Vorteile verschafft. Neben dem nur begrenzten Einstieg mit gemeinsamen Bonds etwa die anteilsmäßige Vergütung der eingespielten Effizienzgewinne und die periodische Neubewertung einer fairen nationalen Zinsposition.

Aber hat Juncker nicht leicht reden? Luxemburg hat kaum Staatsschulden. Anders als Merkel könnte er es sich leisten, die Zinsrisiken zu ignorieren.

Die deutsche Regierung ist ins Nicht-Gelingen verliebt. Stets erklärt sie, warum etwas nicht möglich sein soll. Warum nicht mal über zusätzliche Einnahmen nachdenken? Merkel inszeniert sich gern als Kämpferin für die Finanztransaktionssteuer und beklagt wortreich, dass die anderen Euro-Länder nicht mitziehen wollten. Sie könnte doch zu EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und den anderen Regierungschefs gehen und einen Deal anbieten: Einen Einstieg in Eurobonds gibts dann, wenn auch eine Finanztransaktionssteuer kommt. Damit würde sie eine klassische Win-Win-Situation schaffen.

Eurobonds allein könnten die Euro-Krise aber nicht lösen. Griechenland und Irland steuern auf eine derart hohe Staatsverschuldung zu, dass sie trotzdem pleite wären. Was schlagen Sie vor?

Der EU-Rettungsschirm hat jetzt 85 Milliarden Euro in die irische Volkswirtschaft gepumpt. Das muss Irland dazu nutzen, seinen aufgeblähten Finanzsektor gesundzuschrumpfen. Die Banken müssen auf absehbare Zeit dazu gezwungen werden, die erheblichen öffentlichen Mittel, die sie erhalten haben, zurückzuzahlen. Darüber hinaus brauchen wir einen europäischen Währungsfonds, der wie der Internationale Währungsfonds knallhart mit den privaten Gläubigern verhandelt. Dieser Fonds müsste die Regeln des Marktes gegen den Markt anwenden können, um insbesondere die spekulativen Finanzinvestoren zur Kasse zu bitten.

Zu diesen Anlegern gehört aber auch die Pleitebank Hypo Real Estate, die sowieso schon verstaatlicht werden musste. Soll sie noch mehr Verluste machen?

Genau hier setzt das Geschäft eines europäischen Währungsfonds an. Wir brauchen zukünftig eine angemessene Folgenabschätzung, was eine Umschuldung für einzelne Gläubigerbanken bedeuten würde. Im Übrigen müssen wir die Geschäftsmodelle der Banken auf den Prüfstand stellen. Exorbitante Spekulationsgewinne, die an der Realwirtschaft vorbeigehen, sind kein zukunftsfähiges Konzept. Es kann nicht Aufgabe des Bankensektors sein, Schrottpapiere zu produzieren, die dann in der Krise in einer Badbank landen, weil sie aus guten Gründen niemand mehr kauft.

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9 Kommentare

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  • P
    Papst

    Warum beschafft sich die EZB nicht frisches Geld über Euro Bonds als einzige Institution Europas auf dem freien Kapitalmarkt zu einem sicherlich recht niedrigen aber leicht über deutschem Niveau liegenden Zinssatz und gibt dieses Geld dann steuernd zu unterschiedlichen Zinssätzen an die Mitgliedsländer weiter? So kann Haushaltsdisziplin belohnt werden, gleichzeitig aber den Zockern das Handwerk gelegt werden, denn gegen diese Finanzmacht der EZB lässt sich dann nicht mehr spekulieren.

  • IM
    Irene Muster

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    Der Euro wird überleben, jedenfalls so lange bis der letzt Eurostaat bankrott ist.

  • PP
    Pieter Punk

    Soso, jetzt wollen wir also auch unsere Staatsschulden europäisieren. Schön, das klingt ja fast wie sozialisieren, da freut sich der freundliche Ideologe oder vielleicht auch Leser.

     

    Bezüglich der Effizienzgewinne durch Eurobonds: Die Volumen der Anleihenemissionen sind bereits unheimlich groß (Dtld: über 1000 Mrd Euro Schulden die durch Anleiheemissionen immer wieder umgewälzt werden), wie sollen da bitte Effizienzgewinne durch noch größere Volumen entstehen? Staatsanleihen werden in einer Auktion verkauft, wenn Sie keiner haben will, gibt es dafür auch Gründe. Oder wollen Sie, geneigter Leser, gerne in griechische, spanische oder italienische Papiere investieren?

     

    Wenn das mit der Europäisierung so weiter geht, sieht es in Europa bald aus wie in Italien: Vermüllter Süden und halbwegs kompetenter Norden mit fremdenfeindlicher Stimmung.

    Hochachtungsvoll

    PP

  • FV
    Franz von Hahn

    "Es kann nicht Aufgabe des Bankensektors sein, Schrottpapiere zu produzieren, die dann in der Krise in einer Badbank landen, weil sie aus guten Gründen niemand mehr kauft."

     

    man kann das auch so schreiben:

     

    Es kann nicht Aufgabe der Mittelanreiner sein, Schrottpapiere zu produzieren, die dann in der Krise in einer EZB landen, weil sie aus guten Gründen niemand mehr kauft.

  • JR
    Jan Reyberg

    Politische Prozesse um kaum messbare "Effizienzgewinne" zu verteilen sind auch eine sehr verlockende Perspektive. Die Funktionieren dann bestimmt noch besser als die Mastricht-Kriterien...

  • JR
    Jan Reyberg

    Ein Teil eines Zinssatzes spiegelt das Risiko wieder, dass ein Anleger sein Geld nicht wiedersieht. Gibt man der BRD Geld, dann glaubt man ziemlich stark daran, dass man es wiederbekommt. Gibt m,an es den griechen glaubt man (nicht ganz zu unrecht) daran, dass es mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als bei den Deutschen nicht wiederkommt. Also will man auch mehr Geld.

     

    Auf diese Weise wird unsolide Politik bestraft.

     

    Ein Eurobond würde eien Mischung der Risiken bedeuten. Für Deutschland würde es teurer Geld zu bekommen, für Griechenland billiger.

     

    Man könnte also auch direkt Geld verschicken und sich die Augenwischerei sparen.

  • B
    bababoss

    Fragen an Herrn Bullmann:

    -ab wieviel Milliarden hätte denn ein konstruktiver Beitrag unser Bundesregierung zur Griechenland-Krise begonnen ?

    -in welchem Verhältnis stehen denn ein paar Euro Effiziensgewinne bei der Emmission einer gemeinsamen Anleihe zu den höheren Zinskosten in Milliardenhöhe die wir durch sie hätten ?

    -wer soll den von höheren Zinsen betroffenen Ländern den Ausgleich für die höheren Zinskosten bezahlen und in welchem Maße ?

    -etwa Verteilung dieser Kosten nach Risiko ?

    -wären für unsere PIIGS-Freunde die Finanzierungskosten nicht dann wieder die gleichen wie sie es heute sind ?

    -oder soll ein solch undurchsichtiges Konstrukt nur dazu dienen, dauerhafte Transferleitungen zu verschleiern um sie dem dt.Steuerzahler einfacher verkaufen zu können ?

    -ist hier unsere Regierung den Steuerzahlern nicht zur Vorsicht verpflichtet und muss eben auch den "worst case" mit ins Kalkül ziehen ?

    -würden Sie als Privatperson einen Kredit mit komplett überschuldeten Leuten aufnehmen, deren Einnahmen Sie nicht genau kennen, für den Sie aber, wenns schief läuft, der Bank gegenüber gesamtschuldnerisch haften ?

    -weshalb suchen Politiker ständig die Schuldigen der Krise unter den Nutznießern an den Kapitalmärkten aber nicht unter den Verursachern in der politischen Kaste dieser Länder ?

  • TD
    Tyler Durden

    "Der EU-Rettungsschirm hat jetzt 85 Milliarden Euro in die irische Volkswirtschaft gepumpt. Das muss Irland dazu nutzen, seinen aufgeblähten Finanzsektor gesundzuschrumpfen."

     

    So eine Satz, den muss man sich ganz, ganz langsam auf der Zunge vergehen lassen!

     

    Und dazu dann dieses:

    "Der Euro bleibt"

    Die Zukunft der Währungsunion ist in der EU hart umstritten. Die Regeln des Marktes müssen endlich gegen den Markt angewendet werden, sagt der SPD-Europaparlamentarier Udo Bullmann."

     

    Dann sagt er, dass die Regeln des Marktes wegen der bestehenden Machtverhältnisse leider, leider, nicht angewendet werden könne.

    Aber....: der Euro bleibt.

    Zumindest so lange bis er wirklich kollabiert.

     

    Warum haben sie diesen Verantwortlichen nicht gefragt, ob er bereit ist mit seinem eigenen Vermögen für die Konsequenzen dieser Politik einzustehen, falls seine Vorhersage leider, leider, doch nicht eintreffen wird?

  • A
    A,Grech

    Wieso wird hier ein "Europaparlamentarier" zu derartigen Fragen "interviewed"? Die haben bzgl. Euro und Euro-Anleihen nun doch wirklich überhaupt nix zu entscheiden - auch wenn's vom Namen her vielleicht auf den ersten Blick naheliegend erscheint!

     

    Genausogut könnte man den Bürgermeister von Schilda oder sonsteiner deutschen Kommune hierzu befragen.