SICHERUNGSVERWAHRUNG: Die ersten kommen raus
Ende Februar 2011 ist es soweit: Zwei Männer werden in Berlin aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Die beiden einst wegen Tötungsdelikten Verurteilten müssen zahlreiche Auflagen erfüllen.
Nun gibt es ein konkretes Datum: Am 28. Februar 2011 sollen sich für zwei Sicherungsverwahrte der JVA Tegel die Gefängnistore öffnen. Das hat die Strafvollstreckungskammer am Mittwochabend entschieden. Weil die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel angekündigt habe, könne sich die Entlassung aber noch verzögern, sagte Justizsprecher Michael Kanert.
Bei den zu Entlassenden handelt es sich um einen 53- und einen 69-Jährigen. Der Jüngere der beiden war 1994 zu fünf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte einen Bekannten während eines Zechgelages in seiner Wohnung erstochen.
Der 69-Jährige war in zwei Fällen wegen Totschlags verurteilt worden. 1969 hatte er eine 32-jährige Bekannte getötet. Zehn Jahre später erdrosselte er während eines Hafturlaubs eine 29-Jährige und tötete ihr fünfjähriges Kind, das er zuvor missbraucht hatte. Der Sicherungsverwahrte wird von Anstaltsmitarbeitern als gebrechlicher alter Mann beschrieben, der von seiner körperlichen Verfassung kaum noch in der Lage sei, schwere Straftaten zu begehen. Trotzdem hatte er eigentlich keine Chance, entlassen zu werden.
Das hat sich geändert. Der Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hat die rückwirkende und zeitlich unbefristete Verlängerung der Sicherungsverwahrung für menschenrechtswidrig erklärt. Die Entscheidung ist seit Mai rechtskräftig. Neun von ingesamt 41 Sicherungsverwahrten der JVA Tegel können sich nun Hoffnung auf eine Entlassung machen.
Über vier Anträge haben die Strafvollstreckungskammern inzwischen entschieden. Einen 57-jährigen und einen 50-jährigen Sexualtäter halten die Gerichte weiterhin für so gefährlich, dass ihre Anträge abgewiesen wurden. Die beiden Männer, die Ende Februar freikommen sollen, haben zahlreiche Auflagen bekommen. Dazu gehören regelmäßige Treffen mit Sozialarbeitern. Der 56-Jährige darf zudem keinen Alkohol trinken. Die Haftanstalt bemüht sich, beide Männer in Einrichtungen des betreuten Wohnens unterzubringen. Im Fall des 69-Jährigen gestaltet sich die Suche aber wie berichtet schwierig.
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