: SCHWARZ ROT BUNT
■ Mentalitäts-Patchwork Europa
Eine „uneingeschränkte Solidarität“ mit den deutschstämmigen Aussiedlern hat anläßlich des „Tags der Heimat“ F. J. Strauß gefordert. Die Immigranten sollten nicht als „lästige Ausländer oder Sozialhilfe-Asylanten“ betrachtet werden: „Es sind keine Asylsuchenden aus fremden oder exotischen Ländern. Sie wollen als Deutsche und Menschen und unter Deutschen und Menschen wohnen.“ Für diese warmen Worte wurde Strauß von den Berufsvertriebenen mit der „Plakette für Verdienste für den deutschen Osten“ ausgezeichnet - zu Recht, schließlich ist dem reisesüchtigen Bundesdeutschen Rumänien sehr viel fremder als zum Beispiel Sri Lanka, und Ungarn und Polen exotischer als die Türkei, Afrika oder die Karibik. Da war man immerhin schon ein paar mal im Urlaub, die deutschen Ostgebiete hingegen sind ein völlig blinder Fleck. Und daß aus dieser finstren Gegend keine „lästigen Ausländer“ kommen - darauf hingewiesen zu haben, wäre schon eine Humanismus-Plakette wert, strotzte nicht der nächste Satz vor purem Rassismus, dergestalt, daß es nicht ausreicht, Mensch zu sein, um unter „Deutschen und Menschen“ zu wohnen, sondern zum einfachen Menschsein gefälligst Deutschtum zu kommen hat.
Derlei Hirnkrampf ist man vom alten Strauß mehr als gewohnt, liebt ihn schon fast dafür (Wie geht man mit Verrückten um? Na also), müßte sich also gar nicht weiter echauffieren, wäre nicht Deutschtum nun wirklich das Allerletzte, was in der BRD- und DDR-Abteilung des Hauses Europa künftig gebraucht wird. Für eine entnationalisierte mentalitätsgemischte europäische Gemeinschaft ist es geradezu Gift, auf deutschem Boden weiterhin Mentalitäten anzusiedeln, die auch nur im Entferntesten an teutonisches Macher- und Mackertum erinnern. In dieser Hinsicht war schon die überproportionale Anbindung der Türken ein Fehlgriff. Schon Karl May kamen sie sehr germanisch vor („Der Türke an sich ist bieder und ehrlich“ - Von Bagdad nach Stambul) und seit sie hier sind, entpuppen sie sich, nicht nur beim Autowaschen, als die Deutschen des Orients. Doch sind die türkischen Teutonen harmlos verglichen mit denen, für deren Integration Franz Josef jetzt die Werbetrommel rührt: Die aus dem Ostblock Aussiedelnden sind in aller Regel dumpfdeutscher als die Euro-Polizei erlaubt, d.h. für die deutschen Lande absolut tabu. Einen geldgeilen Polen („Schaffe, Schaffe“) in Schwaben anzusiedeln, ist wie Öl aufs Feuer gießen, eine Siebenbürger Familie mit ihren Gartenzwergen sind die zwei i-Punkte auf der Öde mittelhessischer Kleinstädte, und verstockte Sudetendeutsche ergeben in Niederbayern nichts anderes als das bekannte Bild „Neger im Tunnel“. Eine derart massierte Aufnordung kann nicht im Sinne eines völkergemischten Europa sein, die Völkerwanderungen bedürfen dringend einer Organisation. Die ranklotzenden Polen beispielsweise könnten im nach dem Großbrand erst recht melancholischen Portugal mächtig was aufziehen, den gastfreundlichen Türken könnte man Mallorca, Teneriffa und Rimini zur Bewirtschaftung überlassen, und die Rumänien-Deutschen sind überall gern gesehen, wo Gartenzwerge noch eine Attraktion darstellen (es muß ja nicht gerade Japan sein).
Einer derart von zugereister Deutschtümelei befreiten Bundesrepublik könnten dann endlich die Mentalitäten zugeführt werden, die als Gegengift des Teutonismus dringend gebraucht werden: massenweise Afrikaner ins Ruhrgebiet und nach Ostfriesland, karibisches „Cool Running“ und Rastaman -Vibrations in die Metropolen, Latinos ins dröge Münsterland, nomadisierende Araber ins stillstehende Unterfranken und in Bayern Molukken, Kanakken und Tamillenzusammenführungen aller Art... Ohne Frage werden die Startschwierigkeiten eines Mentalitäten-Patchwork Europa zu Anfang die Sozialhilfe-Töpfe arg belasten, für die Aufmischung des Arischen jedoch sollte den deutschen Geldsäcken kein Preis zu hoch sein.
Mathias Bröckers
„Wenn die Araber gleichsam die Spanier des
Orients sind, so sind die Perser die Franzosen
von Asien...“ (Immanuel Kant, Beobachtungen
über das Gefühl des Schönen und Erhabenen)
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