SCHRÖDER UND DIE EU-FREIZÜGIGKEIT FÜR OSTEUROPÄER: Des Kanzlers Beruhigungspille
Die Europapolitik ist dem Kanzler ans Herz gewachsen. Denn sie ist nicht nur wichtig, mit ihr kann er sich auch profilieren. Bereits bei seinem Besuch in Warschau hatte Schröder klargestellt, dass die osteuropäischen Beitrittskandidaten auf die Bundesrepublik bauen können. Beim EU-Gipfel wurde ihnen, nicht zuletzt dank deutschen Druckes, eine Beitrittsperspektive ab 2004 eröffnet. Nun hat Schröder nachgelegt – mit seinem Vorschlag, den neuen Ländern die EU-Freizügigkeit ihrer Arbeitnehmer sieben, möglicherweise gar fünf Jahre nach ihrer Aufnahme zu geben. Das ist, gemessen an den Vorstellungen anderer europäischer Nachbarn, aber auch von deutschen Interessensverbänden wie den Handwerkskammern ein großzügiges Entgegenkommen.
Immerhin waren vor dem EU-Gipfel Zeitrahmen von zehn, ja sogar 18 Jahren im Gespräch. Die Angst vor den osteuropäischen Migrantenströmen, vor Lohndumping und untertariflicher Bezahlung ist in großen Teilen der Bevölkerung real. Alle Umfragen der vergangenen Monate zeigen, dass die EU-Erweiterung kein Thema ist, das die Menschen mit Hoffnung erfüllt. Groß ist auch die Sorge in der SPD-Zentrale, dass die Union das Thema im Wahlkampf 2002 doch noch zur Angstmacherei gebrauchen könnte – insbesondere in Ostdeutschland, das schon heute in allen Umfragen die niedrigsten Zustimmungsraten zur EU-Erweiterung aufweist.
Doch so ganz ungeschickt, wie es scheint, ist des Kanzlers Vorstoß natürlich nicht. Schröder hat mit seiner frühzeitigen Ankündigung den Ängstlichen in der Bevölkerung zunächst einmal die Sorge genommen, sie müssten schon bald um ihren Arbeitsplatz mit einem Konkurrenten aus Polen, Tschechien oder Ungarn kämpfen. Ob sie es überhaupt werden tun müssen, steht dahin. Als Spanien und Portugal 1986 in die EU kamen, nahm die Zahl der Gastarbeiter ab. Denn Menschen ziehen es vor, in ihrer Heimat zu bleiben – wenn sie eine Perspektive haben. SEVERIN WEILAND
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