SCHRÖDER MAG KEINE MITARBEITER, DIE SICH FÜR UNERSETZLICH HALTEN: Der Fischteich des Bundeskanzlers
Ein Beamter nimmt seinen Hut, nachdem er sich zuvor unsäglich benommen hat. Na und? Wo ist die Nachricht? Die Nachricht könnte bedeutsamer kaum sein. Wenige Tage vor der Afghanistan-Konferenz meint der Bundeskanzler, ohne seinen bislang wichtigsten außenpolitischen Berater auskommen zu können. Deutlicher hätte er kaum demonstrieren können, dass er das internationale Parkett nicht mehr fürchtet.
Michael Steiner hatte großen Einfluss, und zu Beginn der rot-grünen Koalition war er vermutlich sogar einflussreicher als der Außenminister. Im Gegensatz zu diesem kannte er das Geschäft, und er genoss parteiübergreifendes Ansehen. Das hat ihn – wen nimmt es wunder? – nicht unbeeindruckt gelassen. Schon länger mehrten sich die Anzeichen, dass Steiner sich für unersetzlich hielt.
Aber Gerhard Schröder mag Leute nicht, die sich für unersetzlich halten, ob es sich dabei nun um Parteifreunde oder um Ehefrauen handelt. Schon oft hat er gezeigt, dass er ihnen ganz unzeremoniell den Abschied zu geben vermag. Außerdem bot ihm die Steiner-Affäre eine Gelegenheit, den Außenminister zu erfreuen, der ihm erst wenige Tage zuvor die Koalition gerettet hatte. Joschka Fischer ist die einflussreiche Position von Steiner schließlich schon lange auf die Nerven gegangen. Und er hat daraus kein Hehl gemacht.
Nun ist Fischer also der einzig verbliebene Hecht im Karpfenteich des Bundeskanzlers. Aber er täte gut daran, die Schrift an der Wand richtig zu deuten: Der grüne Minister mag ein Hecht sein – aber der Teich gehört Schröder. Und nur ihm. Er wird nicht zögern, auch den Hecht ins Netz zu locken, wenn es ihm dienlich erscheint.
Michael Steiner hat dem Kanzler für seine künftige Arbeit auch „Güte“ gewünscht. Erkennbar mit Bedacht: Gütig hat Schröder nicht gehandelt, als er auf einen wichtigen Berater einfach deshalb verzichtete, weil dieser nach Tagen der Anspannung offenbar einen über den Durst getrunken hatte. Wer aus derart nichtigem Anlass einen Rücktritt akzeptiert, der zeigt, dass er die Symbolik politischer Handlungen gut für sich zu nutzen versteht. Dessen sollte Fischer sich stets bewusst bleiben. Auch wenn er nicht trinkt. BETTINA GAUS
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