SACHSENS CDU SOLL ENDLICH EINE RICHTIGE PARTEI WERDEN: Anhimmeln ist kein Konzept
Sie haben sich so nach der alten Harmonie gesehnt. Lieber Georg Milbradt, haben Sachsens CDU-Delegierte gesagt: Wir machen dich zu unserem Chef. Dann muss es aber vorbei sein mit dem Streit zwischen dir und Kurt Biedenkopf, mit den Intrigen und Enthüllungen. Die Hoffnung, wieder zur alten Ruhe und damit zum Erfolg zurückzufinden, ist Ursache dafür, dass die sächsische CDU den ihrem Ministerpräsidenten verhassten Exfinanzminister zum Vorsitzenden gewählt hat.
Dabei war Harmonie im Erbgut dieser Partei eigentlich nie angelegt. Schlichte Gemüter aus der Block-CDU, Revolutionsadel und West-Anwälte hätten nach der Wende eigentlich eine explosive Mischung ergeben können. Dass alle trotzdem so lieb miteinander waren, lag einzig am Erfolg. Noch mehr als Manfed Stolpe in Brandenburg und Bernhard Vogel in Thüringen konnte Kurt Biedenkopf die sächsische Partei mit Wahlsiegen, Mandaten und Versorgungsposten überschütten.
Da kümmerte es niemanden, dass kein Parteileben entstand und die Kampagnenfähigkeit verkümmerte – so fiel die CDU in ihren Schlaf. Wie tief er war, zeigte sich am Kuddelmuddel, das um die Frage der Biedenkopf-Nachfolge entstand. Dieses Durcheinander will die Partei nun mit Milbradt als neuem starkem Mann lösen – und dann möglichst schnell wieder einschlafen.
Milbradt wäre allerdings dumm, wenn er das zuließe. Der 56-Jährige weiß, dass er nicht die Strahlkraft Biedenkopfs hat. Und er wirkt auch nicht gerade taufrisch gegen den Leipziger Oberbürgermeister Tiefensee, den möglichen SPD-Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl 2004. Was er braucht, ist eine richtige Partei. Deshalb will er das Durcheinander in Lebendigkeit überführen. Währenddessen bauen Thüringens Vogel und Brandenburgs Stolpe weiter ihre Nachfolger auf. Doch die Parteien werden durch verjüngte Spitzen nicht vitaler – zur Politikfähigkeit brauchen die Parteien im Osten nicht nur jemanden zum Anhimmeln. Sondern auch eine Portion Streit. GEORG LÖWISCH
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