S-Bahn-Chaos: Zug um Zug aus der Krise
Vor genau zwei Jahren zog das Eisenbahnbundesamt mehrere hundert S-Bahn-Züge aus dem Verkehr. Seitdem reißen die Probleme nicht ab. Für eine Lösung haben die Parteien sehr unterschiedliche Ideen.
Sie hat einen Ehrenplatz in jedem Wahlprogramm, gern neben anderen Ärgernissen, wie nicht geräumten Schneemassen, hohen Wasserpreisen und unsanierten Schulgebäuden: die S-Bahn. Nachdem vor zwei Jahren das Eisenbahnbundesamt hunderte Züge mangels Sicherheit auf das Abstellgleis schickte, und seitdem Hitze, Kälte und Schnee den S-Bahn-Verkehr abwechselnd lahmlegen, hat jede Partei ihre eigene Idee, wie das Chaos zu beseitigen wäre. Von "Bitte sofort ausschreiben" bis "Bloß nicht ausschreiben", von "Der Senat muss neue Züge kaufen" bis "Die Bahn muss neue Züge kaufen" ist alles dabei.
Weil die Stadtentwicklungsverwaltung eine Entscheidung über eine eventuelle Ausschreibung des Betriebs auf die nächste Legislaturperiode verschoben hat, hat die nächste Regierung die Möglichkeit, die Karten neu zu mischen. Eine Garantie dafür, dass ausgerechnet das eigene Konzept funktioniert, kann allerdings niemand geben.
Die SPD stellt in ihrem Wahlprogramm klar: "Eine (Teil-)Ausschreibung der Berliner S-Bahn lehnen wir ab." Doch das heiße nicht, dass unbedingt die BVG den Betrieb übernehmen soll, sagt der verkehrspolitische Sprecher Christian Gaebler: "Das kann ein landeseigenes Unternehmen unter dem Dach der BVG oder in Kooperation mit der BVG sein." Die SPD verspricht sich davon mehr Einfluss auf den Betrieb der S-Bahn. So könnten Probleme früher erkannt und beseitigt werden, hofft Gaebler.
Best-of S-Bahn-Krise 2009-2011
1. 5. 2009: Als eine S-Bahn in
den Bahnhof Kaulsdorf einfährt, bricht ein Rad.
30. 6. 2009: Das Eisenbahnbundesamt (EBA) zieht hunderte Doppelwagen wegen mangelhafter Kontrollen aus dem Verkehr.
2. 7. 2009: Alle vier S-Bahn-Geschäftsführer müssen ihren Stuhl räumen.
7. 9. 2009: Das EBA zieht erneut Wagen aus dem Verkehr.
Januar 2010: Schnee und Eis - über 200 Doppelwagen fallen aus.
Februar 2010: Berlin und Brandenburg veröffentlichen eine Vorinformation über die Ausschreibung der Ringbahn.
Juli 2010: Hitze überlastet die Klimaanlagen beim Fahrer, erneut fallen Wagen aus.
Dezember 2010: Die S-Bahn klagt über zugewehte Weichen und einen Wartungsrückstau.
Ende Dezember 2010: Das EBA verlängert die Betriebsgenehmigung bis Ende 2013.
10. 5. 2011: Der Senat gibt bekannt, dass er neue S-Bahn-Züge planen lässt.
"Als Erstes brauchen wir neue Fahrzeuge", sagt der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Oliver Friederici. So ähnlich steht das auch im Wahlprogramm: Werkstätten in Betrieb nehmen, die derzeit nicht genutzt würden, die Bahn mit einem Vertrag unter Druck setzen, in dem einzuhaltende Fristen für einen verbesserten Service vereinbart sind, den Hersteller in die Reparaturarbeiten einbinden. Außerdem ist die CDU dafür, den S-Bahn-Betrieb auszuschreiben, und zwar komplett: nicht einzelne Strecken an unterschiedliche Anbieter vergeben, sondern das ganze Netz an ein Unternehmen. Friederici glaubt nicht, dass es eine gute Idee ist, den Betrieb direkt an die BVG zu geben. "Ich weiß nicht, ob sie das schultern kann."
Auch die Grünen sehen die BVG nicht als neuen Betreiber der S-Bahn. Sie wollen ebenfalls eine Ausschreibung, aber nicht komplett, sondern in Teilnetzen. Ein solches Teilnetz könnte die Ringbahn sein, ein weiteres könnten die Ost-West-Strecken bilden und ein drittes die Strecken von Nord nach Süd. Ein kommunales Unternehmen wollen die Grünen nicht. "Die BVG hat ein strukturelles Defizit, sie könnte die S-Bahn gar nicht stemmen", sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling. Im Wahlprogramm spricht sich die Partei aber für einen landeseigenen Fuhrpark aus, und Hämmerling sagt, dass man das Netz auch gern in kommunaler Hand sähe.
Die Linkspartei ist da eher auf der Linie der SPD: Ein kommunales Unternehmen soll die S-Bahn wieder flottmachen. "Damit nicht das Renditeinteresse überhandnimmt", sagt die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta Matuschek.
Doch ein Problem, das die meisten Konzepte haben, bleibt: Erst im kommenden Jahr sollen wieder so viele Züge fahren, dass ein Normalverkehr möglich ist.
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