Ryanair-Betriebsrat am BER: Mitbestimmung an Bord
Ryanair scheitert auch in zweiter Instanz, einen Betriebsrat am Flughafen BER zu verhindern. Der Kampf ist damit jedoch noch nicht vorbei.
Im Kern ging es um die Frage, ob der Standort von Ryanair am BER ein selbstständiger und damit betriebsratsfähiger Betriebsteil der Fluggesellschaft ist, die ihren Hauptsitz in Dublin in Irland hat. Rund 50 Pilot*innen und 170 Mitarbeiter*innen des Kabinenpersonals von Ryanair arbeiten am BER.
Ihre Anweisungen erhalten sie laut der Gewerkschaft Verdi von einem „Base Captain“ beziehungsweise „Base Supervisor“. Ryanair wiederum behauptet, dass alles zentral aus Dublin gesteuert werde und die Strukturen vor Ort nur Informationen weitergeben würden. Die Belege der Gewerkschaft für Anweisungen tat die Ryanair-Anwältin als „gut gemeinte Ratschläge“ ab.
Die von Verdi organisierten Versammlungen zur Wahl eines Wahlvorstands, der die Betriebsratswahlen durchführen soll, waren in den Augen von Ryanair daher unzulässig. Das Arbeitsgericht Cottbus hatte den Antrag auf Abbruch der Wahlen jedoch zurückgewiesen. Die Airline ging daraufhin in die nächste Instanz – und erlitt nun erneut eine Niederlage.
Ryanair will aus Protest gegen die jüngste Erhöhung der Flughafengebühren seinen Flugverkehr in Deutschland ausdünnen. Am BER soll das Angebot nächstes Jahr um 20 Prozent gekürzt werden. Betroffen sind die Strecken von und nach Brüssel, Kaunas, Krakau, Luxemburg, Riga und Kreta. Die Zahl der stationierten Maschinen wird von 9 auf 7 reduziert. Ob damit Stellenstreichungen einhergehen, ist noch nicht bekannt. Nach einem erst in diesem Sommer erfolgten Ausbau der Kapazitäten fliegt Ryanair derzeit noch 50 europäische Ziele vom BER an.
Der BER verbuchte im September 18.000 Flüge mit 2,48 Millionen Passagieren – 9 Prozent mehr als im September 2023. Vor Corona waren an den beiden Berliner Flughäfen noch 25.000 Flugzeuge gestartet und gelandet. (epe)
Verfahren geht in die nächste Instanz
Möglich wurden die Wahlen durch die „Lex Ryanair“ aus dem Jahr 2018. Sie beinhaltete eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, das bis dato bei Fluggesellschaften eine Betriebsratsgründung nur dann erlaubt hatte, wenn das Unternehmen über einen Tarifvertrag verfügte – was bei Ryanair nicht der Fall ist. Durch die Verweigerung eines Tarifvertrages konnten Fluggesellschaften also die Gründung von Betriebsräten verhindern. Dem schob der Gesetzgeber einen Riegel vor.
Für den Richter am Landesarbeitsgericht ist daher klar, dass es sich in diesem Fall um eine „planwidrige Regelungslücke“ handelt. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die Situation versehentlich nicht geregelt hat. „Das Gesetz ist nicht so optimal, wie es sein könnte“, so der Richter. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht: In nächster Instanz wird sich das Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit dem Fall beschäftigen.
Für den Rechtsanwalt von Verdi, Daniel Weidmann, ist das Urteil dennoch „eine historische Entscheidung“. Der Fall sei in der Rechtsprechung bislang einmalig. „Das hat große Auswirkungen in der Luftverkehrsbranche“, so Weidmann. Ryanair betreibt neben dem BER auch Standorte in Köln, Weeze, Hahn, Baden-Baden, Nürnberg und Memmingen.
Auch für andere Branchen sei die Entscheidung wegweisend. Denn anderenfalls hätten Unternehmen einfach ihre Personalabteilungen ins Ausland verlegen können, um die Wahl eines Betriebsrates zu verhindern. Dieser „Angriff auf die Betriebsverfassung“ sei abgewehrt worden. „Für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten ist das ein guter Tag.“
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Wahlvorstand muss neu gewählt werden
Auch Verdi-Gewerkschaftssekretär Dennis Dacke zeigte sich erleichtert: „Die Beschäftigten von Ryanair haben jahrelang dafür gekämpft und wir freuen uns, dass der Betriebsrat nun in greifbarer Nähe ist.“ Das sei bei Ryanair auch bitter nötig: „In diesem Betrieb finden die Beschäftigten kein Gehör“, so Dacke. Dieses Gefühl der Wehrlosigkeit habe nun ein Ende.
Bis es so weit ist, wird es allerdings noch etwas dauern. Denn in einem anderen Punkt gab der Richter Ryanair recht: Die Wahl des derzeitigen Wahlvorstands wurde für ungültig erklärt. Der Grund: Sie fanden nicht in der Nähe des BER, sondern in den Räumlichkeiten von Verdi am Ostbahnhof statt. Nur 14 der 220 Mitarbeiter*innen waren erschienen. Es sei nicht auszuschließen, dass der Versammlungsort Einfluss auf den Ausgang der Wahl hatte, so das Gericht. Verdi will nun rasch eine neue Wahl einberufen.
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