■ Kommentar: Russisches Roulette
Argumente werden gar nicht mehr ausgetauscht. Wenn sich CDU und SPD zu einem ihrer demokratiefeindlichen Geheimzirkel namens Koalitionsausschuß treffen, dann mutet das verdächtig nach verbotenem Glücksspiel an. Man muß sich nur einmal vor Augen halten, um was die Spielkumpane zum x-ten Mal in Hinterzimmern streiten: die Bezirksreform. Dieses an sich spannende Thema kommunaler Demokratie im Zeichen von Staatsreform wird dabei auf ein Niveau heruntergepokert, daß es einem schwarz vor Augen wird. Anstatt zu erörtern, wie mehr Bürgernähe bei einer effizienteren und selbständigeren Verwaltung kleiner Großstädte zu bekommen ist, wird um Zufallskombinationen gerungen: 12 oder mehr (Bezirke), 1999 oder 2003 (Inkrafttreten der Reform). Man weiß nicht recht, wie einfach die Spieler gestrickt sein müssen, um stundenlang und ohne Gewinnaussicht auf Zahlen setzen zu können. Vielleicht steht inzwischen ein Roulettetisch im Senat? Jedenfalls treten hinterher schwarze-rote Glücksspieler vor die Presse und verraten mit staatsmännischer Miene ihre vermeintlichen Glückszahlen: Auf jeden Fall 12-1999! Nein, 15 oder 18-2003!
Das Spiel ist so trostlos, weil der Croupier keine Ahnung hat. Der heißt Eberhard Diepgen. Anstatt „rien ne va plus“ zu rufen, wirft er (weil ohne Geld!) immer neue Jetons auf den Tisch. Was bleibt, ist das Wissen, daß es diverse Spielarten des Roulettes gibt. Vielleicht vergeht dem Chefcroupier, dem Volk nämlich, die Lust, und er verlangt nach russischem Roulette? Das hieße: Nach der Sommerpause noch ein Kügelchen für die komplizierten Etatberatungen. Wenn's dann nicht klappt, ist Schluß: Abwählen, neu wählen und raus aus dem Casino! Christian Füller
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