: Russische Truppen auf dem Vormarsch nach Grosny
■ Verstärkte Angriffe auf Orte in Südtschetschenien. Präsident Jelzin berät mit Ministern über Lage im Kaukasus. Russischer Geheimdienst will Bombenleger identifiziert haben
Moskau/Grosny (dpa/rtr/AFP) – In Tschetschenien mehren sich Anzeichen für eine geplante Besetzung der gesamten Kaukasusrepublik durch russische Truppen, einschließlich der Hauptstadt Grosny. Vize-Generalstabschef Waleri Manilow schloss gestern eine „militärische Kontrolle über das ganze Territorium“ nicht aus. Es werde aber keinen „Frontalangriff“ auf Grosny geben.
Russische Truppen hatten in den vergangenen Tagen das nördliche Drittel Tschetscheniens eingenommen und waren bis an den Stadtrand Grosnys vorgestoßen. Gestern bombardierten Kampfjets vermutete Rebellenstützpunkte in der Ortschaft Alchan-Jurt an der nördlichen Stadtgrenze sowie Ziele im schwer zugänglichen Süden Tschetscheniens. Bis zu 50 Rebellen seien getötet worden. Grosny wie auch andere Orte Tschetscheniens würden von „Terroristen befreit“, zitierte die Nachrichtenagentur Itar-Tass Manilow.
Die Rebellen in Grosny legten nach russischen Angaben einen Verteidigungsring um die Stadt an und versuchten, in den benachbarten Kaukasus-Provinzen Kämpfer anzuwerben. Die tschetschenische Führung rechne mit einem Einmarsch der Truppen in Grosny bis Ende Oktober, sagte der Militärkommandant Issa Munajew der russischen Zeitung Kommersant. „Wir werden die Stadt nicht aufgeben.“ Frauen, Kinder und Alte würden aus der Stadt gebracht.
Unterdessen hat sich Russlands Präsident Boris Jelzin gestern mit hohen Regierungsvertretern getroffen, um das Vorgehen in Tschetschenien zu beraten. Ein Sprecher des Präsidialamtes teilte mit, an den Beratungen hätten Verteidigungsminister Igor Sergejew, Außenminister Igor Iwanow sowie Innenminister Wladimir Ruschailo teilgenommen. Einzelheiten über den Inhalt der Gespräche wurden nicht bekannt.
Premierminister Wladimir Putin besuchte gestern einen Fliegerhorst der russischen Streitkräfte nahe Tschetschenien und zeichnete Piloten für ihre Einsätze aus. Offenbar aus Sicherheitsgründen wurden keine Angaben gemacht, welche Einheit er inspizierte.
Der russische Geheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben die Bombenleger identifiziert, die für zwei Anschläge mit 210 Toten im vergangenen Monat in Moskau verantwortlich sind. FSB-Sprecher Alexander Zdanowitsch behauptete gestern, dass alle Attentäter, von denen kein einziger Tschetschene sei, in den Trainingslagern der Muslim-Rebellenführer Schamil Bassajew und Chattab ausgebildet worden seien. Laut FSB geht auch ein Anschlag im südrussischen Wolgodonsk, bei dem im September 18 Menschen getötet wurden, auf ihr Konto.
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